Paris – So hatte sich die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen den Stimmungstest für die Präsidentschaftswahl in knapp einem Jahr nicht vorgestellt: Nach ihrem unerwarteten Misserfolg bei der ersten Runde der Regional- und Départementswahlen ist die Herausforderin von Staatschef Emmanuel Macron stark angeschlagen. Aber auch das Präsidentenlager hat eine Schlappe erlitten. Im Aufwind sehen sich dagegen die traditionellen Volksparteien.
Verzweiflung drückt sich manchmal in Großbuchstaben aus: „Ihr MÜSST wählen“, rief Le Pen ihren Anhängern über Twitter zu. Sie bezog sich damit auf die historisch niedrige Wahlbeteiligung – mehr als 66 Prozent der Wahlberechtigten machten nicht mit. Für die Stichwahlen am Sonntag gelte nun die Parole: „Zu den Urnen, Patrioten.“
Doch der Appell der 52-Jährigen kommt zu spät. Nur in einer einzigen der 13 zentralfranzösischen Regionen liegt Le Pens Partei Rassemblement National nach der ersten Runde vorne. Ihr Anteil ist stark geschmolzen, stattdessen liegen die französischen Konservativen vorn. „Natürlich stellen wir uns Fragen“, sagte Le Pens Stellvertreter Jordan Bardella kleinlaut. Der 25-jährige Ziehsohn Le Pens holte als Spitzenkandidat in der Hauptstadtregion Ile de France ebenfalls 13 Prozent.
Morgenluft wittern neben den Konservativen auch die Sozialisten. Die von Macron 2017 gedemütigten Volksparteien dürften ihre Bastionen behaupten. Das konservative Hausblatt „Le Figaro“ sieht bereits eine Rückkehr zum Rechts-Links-Modell in Frankreich, das Macron als „über den Parteien“ stehender Präsident beerdigt glaubte. „Die alte Welt ist immer noch da“, stellt auch der Politologe Bruno Cautrès fest.