München/Brüssel – Themen aus dem Münchner Rathaus wirbeln selten so schnell in Brüssel auf: Nachdem die UEFA verboten hat, die Allianz Arena beim gestrigen Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn in Regenbogenfarben leuchten zu lassen, meldete sich noch vor Anpfiff EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Wort: „Dieses ungarische Gesetz ist eine Schande.“
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte am Montag den Antrag an die UEFA gestellt – München wolle mit dem Regenbogen ein Zeichen für Diversität zu setzen. Es sollte ein Protest gegen ein neues ungarisches Gesetz sein, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränkt. Das UEFA-Verbot löst nun eine Welle der Empörung aus – und rückt den Umgang des Ministerpräsidenten Viktor Orbán mit sexuellen Minderheiten in den öffentlichen Fokus.
Das umstrittene Gesetz wurde vergangene Woche vom ungarischen Parlament gebilligt. Es verbietet die Aufklärung über Homosexualität an Schulen – Sensibilisierungsprogramme dürfen nur noch von „Zivilorganisationen“ durchgeführt werden, die dafür eine Zulassung von Regierungsstellen haben. In Büchern, Filmen und anderen Medien für Kinder und Jugendliche darf keine Sexualität dargestellt werden, die von der heterosexuellen abweicht. Außerdem wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil der Normalität erscheinen.
Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen Orbáns – nun muss sich Ungarns Ministerpräsident erklären. Die EU-Kommission droht ihm mit rechtlichen Schritten. Eine Reaktion auf einen gemeinsamen Appell von Deutschland und zwölf anderen EU-Staaten – man müsse den Fall vor den Europäischen Gerichtshof bringen, hieß es.
Für die ungarische Regierung ist es nicht das erste Mal, dass sie Ärger mit der EU-Kommission und anderen Mitgliedstaaten hat. Dem Land werden zum Beispiel auch Verstöße gegen die Wissenschafts- und Medienfreiheit sowie ein inakzeptabler Umgang mit Migranten und Flüchtlingen vorgeworfen.
Jetzt könnte der Streit über die mögliche Diskriminierung sexueller Minderheiten am heutigen Donnerstag Thema des Gipfels der Staats- und Regierungschefs werden. EU-Ratschef Charles Michel wolle die Möglichkeit zur Diskussion geben, da die Debatte große Emotionen auslöse, sagte ein EU-Vertreter. Die Staats- und Regierungschefs sollten „lieber miteinander als übereinander sprechen“.
Orbán verteidigte erneut das neu beschlossene Gesetz: Jeder Mensch müsse sich fraglos frei für seinen Lebensweg entscheiden dürfen. Die Aufklärung heranwachsender Kinder gehöre aber ins Elternhaus. „Wir schützen diese Aufgabe der Eltern“, erklärte er. Auch Ungarns Außenminister Peter Szijjarto sagte, das Gesetz richte sich gegen keine Minderheit – stattdessen solle es Minderjährige vor Pädophilen schützen. Das Gesetzespaket erhöht mitunter die Strafmaße für sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige und sieht die Schaffung eines sogenannten „Pädophilen-Registers“ vor, auf das besorgte Eltern Einsicht nehmen können.
Viktor Orbán appellierte außerdem, das UEFA-Verbot zu akzeptieren. „Ob das Münchner Fußballstadion oder ein anderes europäisches Stadion in Regenbogenfarben leuchtet, ist keine staatliche Entscheidung“, sagte er. Die Reise nach München sagte er ab. dpa/kab