München – Über die Motive des Täters von Würzburg herrscht weiter Unklarheit. War der 24-Jährige aus Somalia psychisch krank oder war seine Tat doch islamistisch motiviert? Und hätte man ihn vor seiner Tat abschieben können? Vor dem Hintergrund dieser Fragen thematisierte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Wochenende eine Überarbeitung des Flüchtlingsrechts. Der Täter kam 2015 nach Deutschland, erhielt kein Asyl, genoss aber subsidiären Schutz. Herrmann sagte, es wäre klug, zu überlegen, ob dieser subsidiäre Schutz so bleiben könne.
Gestern wurde bekannt, dass der Würzburger Täter von 2015 bis 2019 in Sachsen lebte und bereits damals ins Visier der Ermittlungsbehörden geriet. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz ermittelte wegen gefährlicher Körperverletzung gegen ihn. Es habe sich um eine körperliche Auseinandersetzung in einer Asylunterkunft gehandelt. Die Ermittlungen seien aber eingestellt worden.
Das Asylrecht sieht subsidiären Schutz für Menschen vor, die nicht als Asylbewerber oder Flüchtlinge gelten, denen aber Gefahr droht: Todesstrafe, Folter, Erniedrigung oder Gefahr durch Bürgerkrieg. Der Status gilt erst ein Jahr und wird dann alle zwei Jahre überprüft.
Herrmann sagte, ihm liege „besonders am Herzen, dass wir Personen, die hier schwere Straftaten begehen oder als Gefährder eingeschätzt werden, wieder außer Landes bringen können“. Als Gefährder gelten Menschen, denen die Polizei Terroranschläge und andere schwere politische Straftaten zutraut. Beim Täter von Würzburg war das nach bisherigen Erkenntnissen nicht der Fall. Sonst hätte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Status auch nach geltendem Recht entziehen können. Das ist auch möglich, wenn Personen schwere Straftaten begangen haben.
„Am subsidiären Schutz müsste man nichts ändern“, sagt Franz Bethäuser, Lehrbeauftragter an der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Die Aberkennung des Schutzes sei bei Straftätern oder Gefährdern auch nach gültigem Recht möglich. Vor einer Abschiebung stehe aber in einigen Fällen eine andere rechtliche Hürde, nämlich die europäische Menschenrechtskonvention. Der zufolge dürfe niemand Folter ausgesetzt werden. Folglich dürften auch Straftäter oder Gefährder nicht abgeschoben werden, wenn sie dann Todesstrafe oder Folter erwarte. Das ergebe sich aus europäischem Recht und lasse sich nicht national ändern.
Dass für Somalier subsidiärer Schutz gelten kann, hatten Gerichte mehrfach bestätigt, unter anderem aufgrund der anhaltenden Bürgerkriegssituation. Im Jahr 2020 wurden laut BAMF insgesamt rund 145 000 Erst- und Folgeanträge auf Asyl gestellt. 37 000 Antragsteller wurden als Flüchtlinge anerkannt. Subsidiärer Schutz wurde 19 000 Personen gewährt. In 5000 Fällen erließ man Abschiebeverbote. 1700 Personen wurde Asyl gewährt. Über 82 000 Anträge wurden abgelehnt.
Am häufigsten entscheidet das BAMF bei Syrern auf subsidiären Schutz. Mehr als die Hälfte der Anerkennungen erfolgt auf dieser Basis. Ein Grund ist, dass hier höhere Hürden für Familiennachzug gelten. STEFAN REICH/mit dpa