Würzburger Täter war bereits mehrfach auffällig

von Redaktion

Fahnder gehen von islamistischer Tat aus – Bisher allerdings kein Propagandamaterial entdeckt

München – Die Ermittlungen gegen den Würzburger Attentäter Abdirahman J. weisen immer mehr in eine islamistische Richtung. Das Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft München veröffentlichten gestern eine Reihe von Vorfällen, die ein recht alarmierendes Bild von Abdirahman J. in der Vergangenheit entstehen lassen. Vor allem im Januar 2021 hatten sich die Behörden bereits näher mit dem Somalier beschäftigt.

J. war am 6. Mai 2015 von Italien nach Deutschland gelangt, nachdem er zuvor über Nordafrika und das Mittelmeer nach Europa gekommen war. Als Asylgrund gab er ausgerechnet an, von der islamistischen Terrororganisation al-Shabaab in Somalia verfolgt zu werden. Die Gruppierung gilt als regionaler Ableger des weltweiten Terrornetzwerks El Kaida, das einst von Osama bin Laden gegründet wurde.

Im Januar 2021 stellte sich die Situation dann plötzlich anders dar: Am 12. und 13. Januar hatte Abdirahman J. in Würzburger Obdachlosen-Unterkünften zunächst mehrere Menschen mit einem Messer bedroht. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein, der junge Somalier wurde für eine Woche in der Psychiatrie untergebracht.

Im Zuge der Ermittlungen kam es allerdings auch zu einer interessanten Zeugenaussage. Ein Mann gab an, er habe im Jahr 2015 ein Telefonat von Abdirahman J. belauscht. Darin habe J. erzählt, dass er in den Jahren 2008/2009 für al-Shabaab in Somalia Zivilisten, Journalisten und Polizisten getötet habe. Der Generalbundesanwalt prüfte daraufhin, ob gegen J. ein Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland eingeleitet werden müsse, teilten Generalstaatsanwaltschaft und LKA gestern mit. Mangels konkreter Taten habe man davon aber abgesehen – „zumal der Beschuldigte zum angeblichen Tatzeitpunkt elf beziehungsweise zwölf Jahre alt war und damit ein strafunmündiges Kind“, so das LKA. Ein Anfangsverdacht für weitere Staatsschutzdelikte habe nicht vorgelegen.

Irritierend erscheint auch ein Vorfall, der sich erst vor zwei Wochen ereignete. Laut LKA stieg J. am 14. Juni in der Würzburger Innenstadt völlig unvermittelt in den Wagen eines 59-Jährigen und setzte sich auf den Beifahrersitz. Obwohl der Fahrer den jungen Mann mehrfach ansprach, reagierte er nicht – ebenso wenig auf die herbeigerufene Polizei. J. wurde erneut in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Am nächsten Tag verließ er sie schon wieder. „Auf eigenen Wunsch“, wie das LKA betont.

J. scheint zudem immer wieder zum Messer gegriffen zu haben – nicht nur in den Obdachlosenunterkünften im Januar. Bereits 2015 soll der Mann mit einem Mitbewohner in einer Asylbewerberunterkunft in Chemnitz aneinander geraten sein. Auch damals soll er ein Küchenmesser verwendet haben. „Das Ermittlungsverfahren wurde Anfang 2017 eingestellt, da aufgrund der gegensätzlichen Aussagen zum Tathergang ein Tatnachweis nicht zu führen war“, heißt es heute.

Der Tatnachweis für den grausamen Mord an drei Frauen und die Mordversuche gegen sechs weitere Personen am Freitag in Würzburg ist dagegen eindeutig. Die 130 Fahnder konzentrieren sich derzeit vor allem auf das Motiv. „Bislang sind beim Tatverdächtigen noch keine Hinweise auf Propagandamaterial oder sonstige extremistische Inhalte gefunden worden“, heißt es jedoch bei Generalstaatsanwaltschaft und Landeskriminalamt.

Die Ermittler werten vor allem zwei Handys aus, in einem nächsten Schritt sollen Islamwissenschaftler hinzugezogen werden. Der Verdacht, es handle sich um eine islamistische Tat, speist sich bislang aus zwei „Allahu akbar“-Rufen während der Taten und dem Hinweis auf den „Dschihad“, den J. am Krankenbett einer Würzburger Klinik gab. Ein gerichtspsychiatrisches Gutachten wurde in Auftrag gegeben. MIKE SCHIER

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