CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER
Es hat Züge einer Kapitulation, fast Flucht, wie der Westen Afghanistan verlässt. Hastig und unter Geheimhaltung werden die letzten Soldaten ausgeflogen, gestern die Deutschen; das wunderschöne, kriegsgeschundene Land fällt Provinz für Provinz an die Radikalislamisten zurück. Nicht alles ist gescheitert bei diesem teuren Einsatz. 2001 war das Ziel, Afghanistan so zu stabilisieren, dass es nicht Nährboden für weltweiten Terror bleibt. Man kann nur düster erahnen, was ohne Militärintervention geschehen wäre. Doch die Taliban zu besiegen, Demokratie und Menschenrechte zu bringen, schrumpfte über die Jahre zügig vom Versprechen zur Möglichkeit, zur Hoffnung und letztlich zum geplatzten Traum.
Zwei traurige Erkenntnisse bleiben. Erstens: Das Gebilde Afghanistan ist unregierbar, unkontrollierbar. Zweitens: Die Bundeswehr hat im Einsatz viel Praxiserfahrung geschöpft, doch eine bittere Lehre gezogen: Was sie dort zwei Jahrzehnte gemacht hat, ob helfen, sich verwalten, ausbilden, kämpfen, töten und sterben, war den Deutschen in der Heimat ziemlich gleichgültig. Ab und zu schwappte eine Aufregungswelle (Kundus! Totenkopf-Fotos!) durchs Land. Davor und danach: totales Desinteresse.
Das ist kein Einzelfall (mit Mali läuft es ja ähnlich), sondern ein Systemfehler. Die Bundeswehr ist mürbe gespart und dank Wehrpflicht-Aus von den Bürgern entfremdet. Soldaten sind recht, wenn sie Sandsäcke schleppen und in Impfzentren Papierkram regeln, ein Technisches Hilfswerk in Flecktarn. Das ist fatal. Es geht nicht um Militär-Glorifizierung und Hurra-Patriotismus, sondern ein Grundmaß an Wertschätzung. Selbst das fehlt.
Christian.Deutschlaender@ovb.net