München – Knapp eine Woche nach der tödlichen Messerattacke von Würzburg ist vieles noch unklar, vor allem das Motiv des Attentäters, doch es werden auch immer neue Details aus dem Leben des 24-jährigen Abdirahman J. bekannt. So beschäftigen sich die Ermittler aktuell mit einem Video, das mit hoher Wahrscheinlichkeit den Somalier zeigt. Es entstand im Sommer 2018 in Chemnitz.
Bekannt war bereits, dass J. zu dieser Zeit in der sächsischen Stadt lebte. Nun berichtet die „Welt“, dass der Somalier vor drei Jahren einem mutmaßlichen Angriff durch Neonazis ausgesetzt war. Das Video zeigt J. und einen weiteren Mann, der Gesichtsverletzungen aufweist und diese damit begründet, von mehreren schwarz gekleideten Männern zusammengeschlagen worden zu sein. Der spätere Täter von Würzburg sagt, er selbst habe flüchten können.
Chemnitz stand im Sommer 2018 im Zentrum einer Debatte um Rassismus, die bis in die Bundespolitik Wellen schlug. Nach dem Tod eines Deutschen am Rande eines Stadtfestes gab es in den Tagen danach rassistisch motivierte Übergriffe auf Ausländer. In den sozialen Medien war von regelrechten „Hetzjagden“ von Neonazis auf Ausländer die Rede, auch Videos und Augenzeugenberichte deuteten darauf hin. Der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, bestritt diese jedoch. Letztlich musste er in Folge einer Auseinandersetzung zwischen den Regierungsparteien sein Amt räumen.
Ein Sprecher des bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) erklärte gestern, dass das Video analysiert werde: „Das ist eine Spur.“ In Gesprächen mit Medien sagte Abdirahman J. damals, das Leben in Ostdeutschland sei für Flüchtlinge zu gefährlich geworden. Wenig später siedelte er nach Würzburg um.
Wenn Menschen mit Migrationshintergrund Verbrechen begehen, steht schnell die Frage im Raum, wie es um ihre Integration in Deutschland bestellt war. Auch Horst Seehofer hat sich diese Frage gestellt. Der Bundesinnenminister sieht im aktuellen Fall ein besonders tragisches Beispiel dafür, wie der Staat in dem Bemühen gescheitert ist, einen Migranten einzugliedern. „Wenn ein junger Mann sechs Jahre in einem Obdachlosenheim lebt, ohne dass jemand hinschaut und sich kümmert, dann kann ich mit unserer Politik nicht zufrieden sein“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. „Damit können wir uns doch nicht abfinden.“
Seehofer erwähnte eine islamistische Gesinnung des Täters, für die es Hinweise gebe, und sagte: „Eine psychische Störung kommt offenbar hinzu.“ Das ermittelnde LKA will nun ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag geben, um zu klären, ob J. bei der Tat schuldunfähig war und in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden muss. Der Somalier ist legal in Deutschland und genießt sogenannten subsidiären Schutz.
Auch Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) sieht Defizite bei der Integration. „Wenn wir Menschen mit sehr schwierigen Biografien aufnehmen, ist klar, dass das nicht einfach ist, sie womöglich auch eine Form der Begleitung brauchen“, sagte er der SZ. Wenn festgestellt werde, dass Migranten wie der Somalier „eben nicht genügend staatlich begleitet worden sind, muss sich das für die Zukunft massiv ändern“. Der Staat müsse schnell und häufiger hinsehen. mit dpa