Noch während der Flucht des Westens aus Afghanistan kommt ein zweites weltpolitisches Versagen ins Bewusstsein zurück: Zwar ist der Machtkampf in Syrien längst entschieden – offen ist aber, wie sehr der Diktator Baschar al Assad seine Rachegelüste in den letzten Rebellengebieten wird ausleben können. Sein Verbündeter im Kreml droht nun halb offen mit einem Veto gegen UN-Hilfslieferungen über den Grenzübergang Bab al-Hawa und argumentiert, diese könnten genauso über Damaskus laufen. Dass Assad damit alle Mittel in der Hand hätte, Millionen von Syrern auszuhungern, ist der zynische Zweck der Übung.
Gemeinsam mit China missbraucht Russland den Sicherheitsrat seit Jahren als globales Blockade- und Machtinstrument. In diesem Fall spricht aber einiges dagegen, dass die Andeutung aus dem Kreml wirklich zu einem Veto führt. Wladimir Putin ginge nicht nur das Risiko ein, den gerade erst wieder aufgenommenen Gesprächsfaden mit den USA reißen zu lassen. Auch das beim Genfer Treffen mit Joe Biden zumindest ansatzweise polierte Image bekäme neue dunkle Flecken. Vor allem aber stellt sich nach wie vor die Frage des Wiederaufbaus in Syrien. Ein Veto wäre ein denkbar schlechtes Argument für Geld aus dem Westen, auf das auch Putin dringend hofft.
Die EU und die USA sollten ihm das unmissverständlich klarmachen. Nur wenn der Preis für ihn zu hoch ist, wird es keine russische Blockade geben.
Marcus.Maeckler@ovb.net