Wenn die Herrscher sich mit Champagner beschäftigen, dann wird es gefährlich für uns Bürger. Wir Deutschen haben das bitter erlebt. Als unser Kaiser Wilhelm nach einer Finanzierung für seine geliebte Hochseeflotte suchte, fiel ihm als Erstes die „Schaumweinsteuer“ ein. Die Flotte hat Deutschland nur Unglück gebracht, 1914 England auf die Seite unserer Feinde getrieben.
Mit Champagner beschäftigt sich auch Präsident Putin. Letzte Woche hat er ein Gesetz unterzeichnet, das die Bezeichnung „Champagner“ für alle importierten edlen Tropfen verbietet. Nur was in Russland produziert ist, darf die Bezeichnung „Schampanskoje“ tragen. Ob’s hilft?
Den süßen Champagner der schleichenden Geldvermehrung serviert nun schon seit Jahren die Europäische Zentralbank. Unter ihren früheren Präsidenten hatte man dazu zunächst das Inflationsziel „unter zwei Prozent“ ausgegeben. Für eine Bank, deren Aufgabe die Bewahrung des Geldwertes ist, war schon das eine befremdliche Aussage. Eine Zeit lang hieß es dann, das Inflationsziel liege „unter, aber nahe bei zwei Prozent“. Diese Woche hat die neue EZB-Präsidentin Lagarde plötzlich ein Inflationsziel „um die zwei Prozent“ ausgegeben. Dazu werde es „für eine begrenzte Zeit“ Inflationsraten „moderat“ oberhalb dieses Zieles geben. Dieses Abgleiten in der Wortwahl zeigt, dass wir es in Wahrheit mit Schwindlern zu tun haben. Denn Inflation ist eine höchst unsoziale Umverteilung von unten nach oben.
Champagnerlaune aber kommt auf bei all denen, die von höheren Inflationsraten profitieren: Bei den hochverschuldeten Staaten, bei Unternehmen, die die Marktmacht haben, höhere Preise durchzusetzen und bei den „happy few“, den wenigen, die sowieso schon im Besitz von Sachwerten sind. Für alle anderen, die braven Sparer und Rentner insbesondere, ist das Ganze aber keineswegs lustig.
Frau Lagarde legt noch eins drauf mit einem „Aktionsplan“. Sie will weiter im großen Umfang Anleihekäufe tätigen, aber nicht nur, um die Zinsen niedrig zu halten, sondern, um beim Kauf von Unternehmensanleihen „relevante Risiken des Klimawandels“ zu berücksichtigen. So lobenswert es sein mag, etwas gegen den Klimawandel zu tun, bedeutet diese Aussage schlicht und einfach, dass die Europäische Zentralbank nun in eine gut gemeinte Wirtschaftslenkung abgleiten will. Das ihr gesetzlich vorgegebene Ziel der Währungssicherung bleibt da erst einmal außen vor.
Das Bundesverfassungsgericht sollte jetzt endlich der Geldschöpfungs-Rallye der EZB Grenzen setzen. Das bei verschiedenen Gerichtsverfahren ausgesprochene bloße Stirnrunzeln der Verfassungsrichter ohne praktische Folgen darf einfach nicht mehr genug sein.
Wer die Entwicklung aller möglichen Preise von Immobilien, Aktien und anderen Sachwerten verfolgt hat, weiß, dass wir schon in einem inflationären Umfeld leben. Und wie jede Inflation fängt auch diese mit Champagnerlaune an. Aber je länger der Geist aus der Flasche ist, desto schwerer wird es, ihn wieder einzufangen.
Wie bei Menschen, die lange Drogen konsumiert haben, wird die Heilung umso schmerzlicher, je später sie erfolgt.
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