München – Seit einigen Wochen fährt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen neuen, deutlich rigideren Kurs in der Coronapolitik. Zunächst schien das von Erfolg gekrönt. Nach der Ankündigung der Beschränkungen für Ungeimpfte – beim Discobesuch oder sogar bei der Berufsausübung – vereinbarten Millionen Franzosen einen Impftermin. Doch nun zeigt sich auch zunehmend wütenderer Protest.
Das zweite Wochenende in Folge gingen landesweit über 100 000 Franzosen auf die Straße. Auch in anderen Ländern wie Italien, Griechenland und Australien, in denen die Regierung Maßnahmen verschärft hatte, kam es am Samstag zu großen Demonstrationen, teils mit heftigen Ausschreitungen.
In Paris riefen die Demonstranten am Samstag zum Sturz von Präsident Macron auf, den sie als „Tyrannen“ beschimpften. In der Nähe der Champs-Elysées kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. Proteste fanden in mehr als hundert weiteren französischen Städten statt.
Nach dem Willen der französischen Regierung müssen sich alle Gesundheits- und Pflegekräfte sowie Feuerwehrleute und andere Rettungskräfte bis spätestens 15. September impfen lassen, ansonsten droht Berufsverbot. Mit der Ausweitung des Gesundheitspasses soll ab August erstmals eine Corona-Testpflicht für nicht Immunisierte in französischen Gaststätten und Fernzügen greifen. In Kultur- und Freizeiteinrichtungen muss bereits seit Mittwoch eine Impfung, eine überstandene Infektion oder ein negativer Corona-Test nachgewiesen werden.
Allein die Ankündigung der verschärften Corona-Regeln hat das Impftempo in Frankreich beschleunigt. Bis Freitag waren 58 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft. Jedoch wurden allein am Freitag 21 500 Neuinfektionen gemeldet.
In Italien demonstrierten am Samstag tausende Menschen gegen die Einführung eines obligatorischen Gesundheitspasses für den Zugang zu Innenräumen von Bars und Restaurants sowie Freizeiteinrichtungen. „Freiheit“ und „Nieder mit der Diktatur“ skandierten die Demonstranten, die italienische Flaggen schwenkten und mehrheitlich keine Masken trugen. Rund 3000 Demonstranten versammelten sich in Rom. Proteste fanden unter anderem auch in Neapel, Turin und Mailand statt. In Genua trugen Demonstranten gelbe Juden-Sterne, auf denen „ungeimpft“ stand.
Das als „grüner Pass“ bekannte Dokument wird in Italien an Menschen ausgegeben, die ihre erste Corona-Impfdosis erhalten haben, von Covid-19 genesen sind oder in den 48 Stunden zuvor negativ getestet wurden. Seit der Bekanntgabe der Maßnahme stiegen die Buchungen von Impfterminen in einigen Regionen nach Behördenangaben um 200 Prozent. In der griechischen Hauptstadt Athen demonstrierten am Samstag 5000 Impfgegner. Die Regierung hatte zuvor eine Impfpflicht im Gesundheitssektor verfügt.
Auch in Australien beteiligten sich am Samstag Tausende an Protesten. In Sydney wurden dutzende Teilnehmer einer nicht genehmigten Demo gegen Lockdown-Maßnahmen festgenommen, die Polizisten mit Flaschen bewarfen. Auch in Melbourne gab es Proteste. Australien setzt bislang auf strenge Lockdowns. Nur elf Prozent der Einwohner sind vollständig geimpft. afp/dpa