Der Emeritus sorgt erneut für Kritik

von Redaktion

VON BRITTA SCHULTEJANS

München/Freiburg – Als Joseph Ratzinger 2013 seinen Rücktritt verkündete, versprach er, künftig „vor der Welt verborgen“ zu leben. Dennoch meldet sich der heute 94-Jährige immer wieder zu Wort. Soeben per Interview, das der emeritierte Papst Benedikt XVI. der in Freiburg erscheinenden „Herder Korrespondenz“ gegeben hat. Vorwiegend spricht er in dem schriftlich geführten Interview zwar über seine Zeit als Seelsorger in München – am Rande aber lässt er aber durchaus politische Äußerungen fallen.

Denn mit den Amtsträgern der katholischen Kirche in Deutschland geht er einigermaßen hart ins Gericht. „Solange bei kirchenamtlichen Texten nur das Amt, aber nicht das Herz und der Geist sprechen, so lange wird der Auszug aus der Welt des Glaubens anhalten“, schreibt er in der „Herder Korrespondenz“. Er erwarte „ein wirkliches persönliches Glaubenszeugnis von den Sprechern der Kirche“ – und meint damit nach Einschätzung der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ in erster Linie die Bischöfe. Benedikt kritisiert: „In den kirchlichen Einrichtungen – Krankenhäusern, Schulen, Caritas – wirken viele Personen an entscheidenden Stellen mit, die den inneren Auftrag der Kirche nicht mittragen und damit das Zeugnis dieser Einrichtung vielfach verdunkeln.“

Amtliche Texte der Kirche würden weitgehend von Leuten geschrieben, „für die der Glaube nur amtlich ist“, schreibt der frühere Papst. „In diesem Sinn muss ich zugeben, dass für einen Großteil kirchenamtlicher Texte in Deutschland in der Tat das Wort Amtskirche zutrifft.“

In dem Zusammenhang distanziert er sich auch von der Wortwahl seiner „Freiburger Rede“, in der er eine „Entweltlichung“ der Kirche gefordert hatte. Ob das Wort klug gewesen sei, wisse er nicht. In der Rede zum Abschluss seines Deutschland-Besuchs 2011 hatte Benedikt die zunehmende Distanzierung Getaufter vom kirchlichen Leben festgestellt. „Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von der Weltlichkeit der Welt zu lösen“, sagte er damals.

Kritiker sind in Sorge, konservative Kräfte könnten solche Aussagen nutzen, um Ratzinger als Gegenpapst zum amtierenden Franziskus in Stellung zu bringen. Diese Befürchtung äußert am Montag auch „Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Weisner: „Die Kontroversen um den Kurs seines Nachfolgers Papst Franziskus zeigen, welche irritierenden Wirkungen die immer wieder erfolgten Einmischungen des ehemaligen Papstes zu aktuellen Debatten, wie beispielsweise in der Zölibatsfrage hatten.“ Wenn er konkret die Amtskirche kritisiere, „meint er wohl in erster Linie die Kollegen Bischöfe in Deutschland“, so Weisner. Die Gefahr sei groß, dass konservative Kräfte inder Kirche dies „auch als Festhalten am Priesterbild der damaligen Zeit lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil deuten“. Den Zeitpunkt der Veröffentlichung nannte Weisner bemerkenswert. Sie erfolgte, kurz nachdem Franziskus seine Entscheidung veröffentlicht hatte, die lateinische Messe nur unter Auflagen zu erlauben. Franziskus kassierte damit eine Entscheidung seines Vorgängers.

Für den Theologen Daniel Bogner sind die Aussagen des Emeritus „bestenfalls naiv“. Seine Aussage „ignoriert vollständig, dass man als Geweihter in der katholischen Kirche mit ihrer monarchischen Kirchenverfassung eben nicht einfach nur Geistlicher sein kann, sondern mit diesem Amt immer auch eine ständegesellschaftliche und geschlechterdiskriminierende Grundordnung bestätigt wird – ob der einzelne Amtsträger das nun persönlich beabsichtigt oder nicht“, sagt der Professor für theologische Ethik an der Uni Freiburg in der Schweiz. „Die institutionelle Architektur übt ein Gewicht aus, das nicht so unschuldig vom persönlichen Handeln der Amtsträger getrennt werden kann, wie Ratzinger es tut.“

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