Es war fast schon zum Ritual geworden: Viktor Orbán in Ungarn oder Jaroslaw Kaczynski in Polen schränken per Gesetz die Rechte der Presse, der Justiz oder von Minderheiten ein. Und Brüssel reagiert mit wütendem Protest. Am Ende dieses fest eingeübten EU-Spielchens haben Warschau und Budapest meist gemacht, was sie wollen – und die EU-Gelder flossen trotzdem weiter wie bisher.
Doch es scheint, als ob der im vergangenen Jahr geschaffene Rechtsstaatsmechanismus die Ohnmacht Europas in diesem traurigen, die grundlegenden Werte der EU verhöhnenden Spiel beendet hat. Denn endlich kann Brüssel nun mehr auffahren als nur mahnende Worte: Der Rechtsstaatsmechanismus trifft Mitgliedstaaten, die gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen, dort wo’s wehtut: beim Geld. Auch die Auszahlung der Corona-Hilfen nutzt Brüssel nun, um Druck auf Warschau und Budapest auszuüben.
Im Falle Polens offenbar mit Erfolg: Es scheint, dass Kaczynski bei der umstrittenen Justizreform nachbessern wird, mit der er die polnische Justiz zum Erfüllungsgehilfen seiner Regierung machen wollte. Natürlich wird es noch zähes Ringen um Details geben. Aber die Richtung stimmt: Brüssel ist kein zahnloser Tiger mehr.
Klaus.Rimpel@ovb.net