München – Die Pläne der Internetriesen Google und Facebook lassen sich auf Deutschland nicht übertragen. Warum, erklärt der Münchner Arbeitsrechtler Ulrich Grund.
Ist in deutschen Büros eine Impfpflicht überhaupt denkbar?
In Büros nicht. Man könnte allenfalls bei Jobs darüber nachdenken, die unmittelbar mit vulnerablen Gruppen zu tun haben. Aber auch da ist die überwiegende Auffassung, dass es nicht geht, weil es auch für diese Berufsgruppen bislang keine gesetzliche Pflicht gibt.
Was kann ein Arbeitgeber tun, wenn er Wert darauf legt, dass ungeimpfte Mitarbeiter sich fernhalten?
In beschränktem Rahmen kann er einen finanziellen Anreiz bieten, sich impfen zu lassen. Das darf aber keine Prämie im vierstelligen Bereich sein, weil das gegen das Verbot der Maßregelung jener Mitarbeiter verstoßen würde, die sich nicht impfen lassen wollen. 50 oder 100 Euro wären da wohl zulässig. Man könnte auch in die umgekehrte Richtung denken – dass man Verbote für nicht-geimpfte Mitarbeiter erlässt, zum Beispiel bestimmte Räumlichkeiten, Kantinen oder Sozialräume, zu betreten. Da muss man aber immer schauen: Ist das wirklich erforderlich oder kann man den Schutz anders gewährleisten mit Maßnahmen wie Abstand, Maske, Lüften?
Kann der Arbeitgeber ungeimpfte Mitarbeiter ins Homeoffice beordern?
Allenfalls dann, wenn sich die Gefährdung durch andere Maßnahmen nicht verhindern ließe. Das sehe ich aber nicht. Die sogenannte Homeoffice-Pflicht ist ja jetzt ausgelaufen. Wenn der Gesetzgeber schon keine generelle Verpflichtung vorsieht, tue ich mich als Arbeitgeber schwer zu begründen, warum ich jemanden zwangsweise ins Homeoffice schicke, weil er nicht geimpft ist.
Das heißt: Wer ins Büro will, der kann.
Ja. Es sei denn, man hätte einen Arbeitsplatz, wo diese Schutzmaßnahmen nicht umsetzbar wären. Wo man quasi in Käfighaltung arbeiten würde. Aber selbst da könnte man mit Maske und Lüften Vorsorge treffen.
Wer also im Büro arbeiten will, aber nicht darf, der bezieht trotzdem weiter sein Gehalt.
Das ist die Konsequenz. Wenn der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, den Mitarbeiter zwangsweise ins Homeoffice zu versetzen, muss er das Gehalt zahlen, auch wenn er die Arbeitsleistung nicht in Anspruch nimmt.
Ließe sich eine Impfpflicht auf dem Umweg über eine Betriebsvereinbarung einführen?
Nein. Das wird zwar diskutiert, sowohl Betriebsvereinbarung als auch Tarifvertrag, aber beides wird abgelehnt. Die Intensität des Eingriffs ist bei einer Impfung so groß, dass das auch über den Umweg einer Betriebsvereinbarung nicht durchführbar wäre. Auch die Betriebsparteien sind an Recht und Billigkeit gebunden und damit an die Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte.
Muss ein Arbeitnehmer überhaupt seinen Impfstatus offenlegen?
Allenfalls wenn man in sensiblen Bereichen tätig ist, zum Beispiel in der Pflege vulnerabler Gruppen, kann man an eine solche Offenbarungspflicht denken. Die Datenschutzbehörden haben das bei Fragen wie Aufenthalt in Risikogebieten oder Temperaturmessungen vor dem Betreten für zulässig erachtet. Aber bei dem Impfstatus ist mir da noch nichts bekannt.
Interview: Marc Beyer