„Vollpfosten“: Eklat um führenden FW-Abgeordneten

von Redaktion

Strafanzeige gegen Fraktionsvize Bernhard Pohl – wieder mal nach einem offenbar alkoholträchtigen Abend

Kaufbeuren – In griechischen Tavernen kann man sehr fröhliche Stunden verleben, singend und tanzend. Nun beschäftigt Politik und Justiz ein Abend im Lokal „Hellas“, der ähnlich feucht, aber weniger freudvoll verlief. Ein langjähriger Abgeordneter aus der Führung der Freien Wähler soll im Suff für einen Eklat gesorgt haben. Nicht sein erster Fehltritt.

Im Mittelpunkt steht der schwäbische Jurist und Abgeordnete Bernhard Pohl, 56 – und sein lautstarker Streit mit einem anderen Anwalt aus Kaufbeuren. Am 1. Juli, kurz nach 22 Uhr, liefen sich beide in der Taverne über den Weg. Man duzt sich, schätzt sich aber gar nicht. Eine Anzeige gegen Pohl, die unserer Zeitung vorliegt, zählt hässliche Worte auf. Er soll über den jungen Anwalt übel geschimpft haben: „Arschloch“, „Vollpfosten“, „peinliche, arme Sau“, soll er sehr ausführlich durchs Lokal gebrüllt haben.

Die Schilderung legt nahe, dass Pohl kräftig getrunken haben muss. Der betroffene Anwalt schildert, der Abgeordnete habe später die Beleidigungen eingeräumt und mit einem saftigen Rausch entschuldigt. Die Staatsanwaltschaft Kempten bestätigt den Eingang der Anzeige. Teil der Anzeige ist auch der Vorwurf, dass Pohl am nächsten Tag den Wirt angerufen und gebeten haben soll, nicht als Zeuge gegen ihn auszusagen.

Pohl selbst sagt: „Ich habe ein bisschen überzogen, keine Frage.“ Es seien harte Worte gefallen, die er sonst nicht verwende. Er habe sich schriftlich sowie persönlich entschuldigt; sei aber nicht bereit zu einem Geldausgleich. Er habe entsprechende Forderungen seinerseits als versuchte Erpressung und Nötigung angezeigt. „Auch Abgeordnete sind kein Freiwild und nicht erpressbar.“ Im Hintergrund steht nach Pohls Worten ein Streit um Corona-Regeln sowie um die Geschäftspraxis des Anwalts.

Das Problem: Pohl hat eine klare Vorgeschichte mit Alkohol und Regelübertretungen. Die Polizei erwischte ihn betrunken am Steuer und mehrfach bei groben Verkehrsdelikten. Die größten Schlagzeilen machte er nach dem Landtagsempfang in Schleißheim 2015 – da griff ihn die Polizei mit weit über 1,1 Promille auf. Damals wurde auch bekannt, dass Pohl 2006 (noch nicht im Landtag) nach einem Unfall auf der A 96 wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde.

So viele Delikte am Steuer folgten, dass ein Oberlandesgericht 2010 offiziell feststellte, Pohl sei sich „seiner Vorbildfunktion als Landtagsabgeordneter nicht einmal ansatzweise bewusst“. 2011 wurde er bestraft, weil er fälschlicherweise einen Bekannten als Fahrer angegeben hatte. 2015 wurde Pohl zu einem halben Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt; dazu zwei Jahre Fahrverbot und 15 000 Euro Geldauflage. Damals gelobte er, eine Therapie zu machen.

Politisch hatte all das bisher milde Folgen. Parteichef Hubert Aiwanger hielt die Hand über Pohl, nicht zuletzt mit dem Argument, es seien ja auch schon CSUler betrunken Auto gefahren. Pohl wurde nicht zum Polit-Ende gedrängt, sondern gab 2015 nur den Posten als Fraktionsvize im Landtag auf. Er gelobte Besserung. „Der Zerknirschte“ titelte eine Zeitung 2019 und schrieb, er trinke jetzt nicht mehr, zumindest tagsüber. Im März dieses Jahres erkämpfte sich Pohl den Posten als Fraktionsvize wieder zurück, bei einer Regierungsfraktion ein einflussreiches Amt. Wie viel Geduld hat die Partei im Wahlkampf, falls die Justiz wieder ermittelt?

Der Abend im Hellas endete übrigens etwas stiller. Der Anwalt schreibt in seiner Anzeige, Pohl sei gegen 22.45 Uhr im Lokal eingeschlafen. CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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