Zuversicht in Afghanistan schwindet

von Redaktion

VON VERONIKA ESCHBACHER UND ANSGAR HAASE

Ankara/Kabul – Die Nato hat kurz nach der Beendigung ihres Ausbildungseinsatzes in Afghanistan das erste Trainingsprogramm für afghanische Soldaten im Ausland gestartet. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Ankara wurden Angehörige der afghanischen Spezialkräfte am Mittwochabend für einen Lehrgang in die Türkei geflogen. Er soll der Auftakt für regelmäßige Ausbildungsangebote außerhalb Afghanistans sein.

Ein Nato-Sprecher in Brüssel bestätigte den Beginn des Trainingsprogrammes, wollte sich aber aus Sicherheitsgründen nicht zum Ort und zu Details äußern. Ob Deutschland sich an dem Training im Ausland beteiligen wird, ist noch unklar. Nach Angaben aus Regierungskreisen ist ein Einsatz von Ausbildern der Bundeswehr nicht ausgeschlossen. Bevor entschieden wird, soll aber abgewartet werden, ob das neue Ausbildungskonzept funktioniert. Als eine Gefahr gilt, dass sich Teilnehmer während der Lehrgänge absetzen, um dann zum Beispiel in einem EU-Land Asyl zu beantragen.

Hintergrund ist, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan nach der im April getroffenen Abzugsentscheidung der Nato deutlich zugespitzt hat. Die militant-islamistischen Taliban kontrollieren nach mehreren Offensiven mittlerweile knapp mehr als die Hälfte der rund 400 Bezirke im Land, Teile von wichtigen Überlandstraßen und mehrere Grenzübergänge in die Nachbarländer.

Die raschen Gebietsgewinne der Islamisten waren für viele Beobachter überraschend. Vor Beginn des Abzugs der internationalen Truppen gaben sich die allermeisten westlichen Diplomaten und Experten in Kabul zuversichtlich, dass die Sicherheitskräfte den Taliban standhalten könnten. Sie erwähnten vor allem die gut ausgebildeten Spezialkräfte und die Luftwaffe als Schlüsselvorteile der Regierung.

Mittlerweile ist diese Zuversicht großen Zweifeln gewichen. Seit die USA alle ihre Kampfflugzeuge aus dem Land abgezogen haben, ist die afghanische Luftwaffe im Dauereinsatz. Die Folgen der Überbeanspruchung: Bereits im Juni sei die Einsatzbereitschaft von fünf der insgesamt sieben Flugzeugtypen teils signifikant gesunken, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht des US-Generalinspekteurs für den Wiederaufbau in Afghanistan (Sigar).

Ähnlich geht es den Spezialkräften. Sie werden pausenlos in alle Ecken des Landes geschickt um Gebiete zurückzuerobern, eingekesselte reguläre Truppen zu befreien oder Angriffe auf Provinzhauptstädte abzuwehren. Die meisten regulären Truppen weigern sich mittlerweile, ohne die Kommandokräfte Operationen durchzuführen. Letztere gelten bereits als überstrapaziert.

Allerdings könnte sich der Einsatzradius der Regierungstruppen ohnehin bald beschränken. Offensichtlich hat sich in Kabul die Einsicht durchgesetzt, dass viele ländliche Gebiete nicht zu halten sind. Aus Militärkreisen heißt es, man bereite sich vor, in wenigen Monaten nur noch die Städte zu verteidigen.

Die USA sind in den vergangenen Tagen nun wieder verstärkt Luftangriffe zur Unterstützung der Sicherheitskräfte geflogen. Die Flieger dazu steigen mittlerweile außerhalb Afghanistans auf, der US-Abzug ist nach eigenen Angaben zufolge zu 95 Prozent abgeschlossen. Allerdings ist unklar, was nach dem 31. August passiert. Dann endet die US-Militärmission in Afghanistan.

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