„Wir waren gegenüber China zu naiv“

von Redaktion

Europa steht vor großen Umbrüchen – Zeit zum Umdenken, sagt die EU-Abgeordnete Angelika Niebler (CSU). Ein Gespräch über Klimapläne und den Umgang mit China.

Frau Niebler, die Kanzlerin geht in Rente. Sollte der Schmusekurs gegenüber China mit ihr gehen?

Angela Merkel hat keinen Schmusekurs gefahren, sie hatte die Interessen Deutschlands und Europas immer im Blick. China stellt uns vor ein Dilemma. Es ist einerseits ein riesiger Markt, der für unsere Wirtschaft extrem wichtig ist. Andererseits zeichnen sich dort Entwicklungen ab, die ich sehr besorgniserregend finde. Denken Sie an die Menschenrechtslage oder die Situation in Hongkong.

Trotzdem hat Frau Merkel Anfang 2021 ein großes Investitionsabkommen mit China durchgeboxt…

Ausverhandelt, nicht durchgeboxt. Wir als EU-Parlament haben das Abkommen inzwischen auf Eis gelegt. Gegenüber Kollegen von mir, die sich kritisch zur Situation in Hongkong geäußert haben, wurden Einreiseverbote verhängt. So lange das so ist, werden wir das Investitionsabkommen nicht beraten. Es zeigt sich immer deutlicher, dass unsere Strategie „Wandel durch Handel“ gescheitert ist. Wir müssen unser Verhältnis mit China auf neue Beine stellen.

Ungarn sieht sich als Teil der chinesischen Seidenstraße und blockiert zunehmend kritische EU-Beschlüsse. Hat sich China nicht längst einzelne Staaten herausgekauft?

China setzt mit der Seidenstraßen-Initiative knallhart eigene Interessen durch und in der Tat ist es oft schwer, gemeinsame Linien auf EU-Ebene zu finden. Wir müssen den Verkauf kritischer Infrastrukturen an Drittstaaten verhindern. Der Hafen von Piräus gehört den Chinesen schon – im Moment ist Peking auf dem Balkan sehr aktiv. Diese Länder wollen in die EU, wir müssen sie so stabilisieren, dass China kein attraktiver Investor ist.

Hätten wir den Verkauf von Hochtechnologie stärker beschränken müssen?

Wir haben dazugelernt, sind kritischer geworden, unsere Instrumente schärfer. Es ist doch klar, dass es derzeit mit China keinen fairen Wettbewerb gibt. Umso mehr müssen wir unsere Standpunkte klarmachen und sagen, was mit uns nicht geht. Wir waren im Umgang mit China lange zu naiv, aber diese Zeiten sind vorbei.

Wie naiv sind wir denn, wenn wir uns mit dem EU-Klimaprogramm „Fit for 55“ wirtschaftlich selbst ins Knie schießen?

Klimaneutralität in der EU bis 2050 zu erreichen, ist der richtige Weg. Jetzt haben wir mehrere Vorschläge auf dem Tisch, über die wir intensiv beraten müssen. „Fit for 55“ ist stark marktwirtschaftlich ausgerichtet und will den Emissionshandel auf Verkehr und Gebäude ausweiten – das ist der richtige Ansatz. Was ich kritisiere, ist das geplante Aus des Verbrenners. Ich bin überzeugt, E-Mobilität wird langfristig ein Selbstläufer sein, sobald die Ladeinfrastruktur steht. Wir brauchen aber auch alternative Kraftstoffe für den Verbrenner und Wasserstoff-Technologien für den Schwerlast-Verkehr. Die Vorschläge sind zu einseitig.

Sie meinen zu technologiefeindlich…

Ich finde, es braucht mehr Glauben an das, was möglich ist, und mehr positive Grundstimmung. Wir sprechen zu wenig über die unglaublichen Leistungen unserer Unternehmen, gerade auch in der Corona-Zeit. Kein Mensch redet mehr darüber, dass Biontech, ein deutsches Start-Up, innerhalb von neun Monaten einen Impfstoff entwickelt hat, der nun weltweit verimpft wird. Das ist doch großartig. Es braucht mehr von diesem unternehmerischen Geist, auch beim Klima.

Durch den Kommissions-Vorschlag wird die Produktion in Europa verteuert. Können neue Klimazölle unsere Firmen schützen?

Die Kommission glaubt, dass das die Lösung ist – ich bin da sehr skeptisch. Unsere Unternehmen brauchen gute Rahmenbedingungen, dazu gehört ein Strompreis, der international wettbewerbsfähig ist. Auch Berlin sollte tätig werden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss weg, die Energiesteuer runter. Wenn der Strompreis bezahlbar ist, braucht es keine Zölle.

Zumal sie in der Regel zu Gegenzöllen führen.

Sie haben vollkommen Recht. Wenn wir Außengrenzschutz machen, werden die anderen Regionen entsprechend reagieren, ist doch klar. Das ist nicht der richtige Weg. Mit guten Rahmenbedingungen können wir viel besser lenken als mit einer Steuer, die zu neuem bürokratischen Aufwand führt.

Interview: G. Anastasiadis, Chr. Deutschländer, M. Mäckler

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