Berlin/München – Seit Tagen robbt sich die Inzidenz langsam nach oben. Aktuell sind es 23,1, vor einer Woche waren es 17,8. Eine sich anschleichende Gefahr? Oder kein Anlass für Hektik? Heute beraten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten über den Kurs gegen eine vierte große Welle im Herbst und Winter. Die Meinungen reichen so weit auseinander wie die Inzidenzen – wo Bayern mit seinen knapp 16 in der Mitte zwischen Thüringen (6,5) und Hamburg (54,8 ) liegt.
Was also tun? CDU-Chef Armin Laschet trat gestern mit einem Fünf-Punkte-Plan vor die Parteigremien. Zentraler Punkt: eine „Impf-Offensive“, vorerst ohne nähere Details. Ein Schlüssel dazu soll sein, dass Geimpfte von vielen Beschränkungen und Pflichten ausgenommen sind. Vollständig geimpft sind nun knapp 45,6 Millionen Menschen, 54,8 Prozent aller Einwohner.
Mehr Druck soll ein Test-Konzept aufbauen. Zum einen sollen ab Oktober die Tests, bisher kostenfrei, von den Bürgern bezahlt werden – so steht es in der Beschlussvorlage, Stand 19:30 Uhr von gestern Abend, die unserer Zeitung vorliegt. Laschet, der Bayer Markus Söder, mehrere SPD-Regierungschefs und der grüne Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg sind dafür. Dagegen sind die FDP und die Freien Wähler aus Bayern. Explizit ausgenommen werden von den Kosten – wohl zehn bis zwölf Euro pro Schnelltest – Menschen, die nicht geimpft werden können; aus medizinischen Gründen, Minderjährige, auch Schwangere.
Teil zwei der Teststrategie ist der Plan, noch im Lauf des August neue Zugangsregeln aufzustellen. Geimpft, genesen oder getestet sein muss, wer als Besucher in Krankenhäuser, Heime, in die Innengastronomie, zu Festen in Innenräumen, zu Friseuren, Gottesdiensten, in Fitnessstudios und Hotels kommen will – eine drastische Regel, die nur bei erhöhten Inzidenzen greifen soll. Wie hoch, lässt der letzte Entwurf noch offen, da prangt ein gelbes „X“ im Papier. Die Länder dürfen das im Übrigen regional für sich entscheiden.
Bonus für Schüler: Wer oft in der Schule getestet wird, muss keinen weiteren Test vorlegen. PCR-Tests sollen 48 Stunden gelten, Schnelltests nur 24. Bayern würde vielleicht noch weitergehen und bei hohen Inzidenzen Getestete von bestimmten Angeboten ausnehmen. „Aus meiner Sicht haben Geimpfte und Genesene eine andere Position als Ungeimpfte, da Tests immer nur eine Momentaufnahme darstellen“, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) unserer Zeitung. „Ich halte es deshalb für möglich, dass für Ungeimpfte mehr Kontaktbeschränkungen und andere Einschränkungen gelten können, wenn die Situation schwieriger werden sollte.“
Spannend wird bei der Runde, ob eine neue „Zauberformel“ die Inzidenz ablöst. Laschet schlägt vor, die Krankenhausbelegung, die Zahl der Intensivpatienten und den Impffortschritt stärker zu berücksichtigen. Die CSU argumentiert ähnlich. Holetschek will, dass die Inzidenz ein zentraler Faktor bleibt. „Wir brauchen die Inzidenz als Seismograf, weil sie als erster Wert die Entwicklung der Corona-Lage widerspiegelt“, sagte er. „Im Hintergrund muss zudem ein System laufen, das die Hospitalisierung, die Kapazität an Intensivbetten und die Impfquote einfließen lässt.“ Holetscheks Konzept: Die Inzidenz-Grenzwerte, ab denen die Politik handelt, werden dann daraus errechnet und angepasst. Das Papier geht ungefähr, noch ohne Details, in diese Richtung. Eine ganz neue Kennzahl ist nicht drin.
Die Gesundheitsminister der Länder haben sich unterdessen dafür ausgesprochen, dass der Bundestag die vorerst bis 11. September bestehende „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ verlängert. Hintergrund sei, dass eine Fortführung von Infektionsschutzmaßnahmen auch danach absehbar sei, heißt es in einem einstimmigen Beschluss der Ressortchefs von Montag
Einen richtigen Lockdown soll es nicht mehr geben, darüber sind sich die Regierenden einig. Einzelmaßnahmen aber vielleicht schon. Laut „Reuters“ schlägt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor, ab einer 50er-Inzidenz wieder eine Pflicht zu Homeoffice-Angeboten vorzuschreiben.