Wahlkampf mit Mindestabstand

von Redaktion

VON CINDY BODEN

München – Wahlkampf in Corona-Zeiten ist gar nicht so leicht, wenn auf große Gruppen verzichtet werden soll. Das Bad in der Menge auf dem Marktplatz fällt weg, kein freudiges Anstoßen mitzahlreichen Fremden im Wirtshaus, kein Händeschütteln vor dem kurzen Plausch.

Auch am Wahlkampfstand darf es nicht zu voll werden. Deshalb hatte sich Doris Wagner etwas überlegt. Statt die Menschen zu sich zu locken, schwärmte die Grünen-Direktkandidatin für München-Nord mit einem kleinen Team aus. Als „sympathisches Entrée“ verteilte sie Sonnenblumen – ein bisschen Nahbarkeit, trotz Maske und Abstand.

Der Bundestagswahlkampf beherzigt heuer gewisse Grundsätze: flexibel, kreativ und auf Distanz sein. Bisher haben die Kandidaten noch Glück, die Inzidenzen sind niedrig. Doch obwohl Wagner gern wieder mehr in Präsenz machen würde: „Ich habe das Gefühl, dass viele noch zurückhaltend sind mit größeren Menschenansammlungen.“ Online-Formate begleiten die Wahlkämpfer deshalb täglich.

Wagner will zum Beispiel digitale Bürgersprechstunden anbieten. Sie sitzt dann vor der Kamera und wartet, ob sich jemand mit einer Frage zuschaltet. Auch ihr Konkurrent Bernhard Loos von der CSU, der zurzeit das Wahlkreismandat innehat, bewirbt solche Sitzungen mithilfe von QR-Codes und E-Mail-Adressen auf Plakaten.

Bei den Diskussionsrunden im Netz kann zwar jeder auf seiner heimischen Couch sitzen bleiben und mit weniger Aufwand teilnehmen – doch ist das Interesse dadurch größer? „Bei Livestreams gehen viele rein und raus. Da kann man gar nicht richtig nachvollziehen, wie viele tatsächlich drin waren“, sagt Loos. „Aber besonders die Jüngeren erreicht man da viel mehr als in einem Gasthaus.“

Die altbekannte Stimmung kommt online aber nicht auf. Zwischenrufe, Applaus, der Austausch im Anschluss: „Das geht natürlich alles verloren“, bedauert Florian Post (SPD), ebenfalls Kandidat für München-Nord. Seinen Erfahrungen nach nehmen bei Online-Formaten weit weniger Leute teil als etwa in einem Wirtshaus, wo manche auch einfach nur ein Bier in Gesellschaft trinken wollten.

Post zeigt wie andere viel Präsenz auf den großen Social-Media-Plattformen. Er setzt auf die Klassiker: „Man kann sich vor lauter Kreativität ganz schön blamieren“, meint er. Um zu erfahren, was technisch überhaupt alles möglich und sinnvoll wäre, habe sich der Kandidat externe Beratung eingekauft.

Neben der Online-Strategie ist aus Sicherheitsgründen auch die Draußen-Taktik in diesen Sommerwochen beliebt. Wagner von den Grünen setzte sich für Touren aufs Fahrrad, der CSU-Abgeordnete Loos verteilt seine Flyer an U-Bahn-Stationen, SPD-Mann Post zieht durch die Biergärten. Immer auf Abstand. Denn die Auflagen verlangen strenge Hygiene. Die beliebten Kulis oder Schlüsselanhänger sollen nur in Einzelfällen von Hand zu Hand überreicht werden. Das Virus mache „alles viel schwieriger wie eigentlich üblich in den Wahlkämpfen“, bemerkt Loos. Haustürwahlkampf will er bei guter Corona-Lage trotzdem machen. Wagner überlegt noch – wenn, will sie versuchen, die Menschen in ihren Vorgärten zu erreichen.

Das Werben um Stimmen wirkt heuer etwas behutsamer. Bloß kein Superspreader-Event provozieren. Doch die Zeit drängt, denn viele könnten per Brief wählen.

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