Unsicherheitsfaktor Freie Wähler

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Es ist wie immer. Am Dienstagabend sitzt Markus Söder vor den Kameras in Berlin und lässt sehr deutlich durchblicken, dass ihm die gerade gefassten Corona-Beschlüsse nicht weit genug gehen. Die viel empfundene Ruhe sei trügerisch, sagt er, eine Debatte über die Bevorzugung von Geimpften und Genesenen unausweichlich. Noch etwas ist wie immer: Was Bayerns Ministerpräsidenten zu lasch erscheint, ist für den Koalitionspartner daheim hart an der Grenze.

Schon oft war Corona Auslöser für Streits in der Bayern-Koalition, auch jetzt ist da ein gewisses Konfliktpotenzial: Ab 11. Oktober sollen Schnelltests nicht mehr kostenfrei sein, was die Freien Wähler vor dem Bund-Länder-Gipfel vehement ablehnten. Auch der wachsende Druck auf Ungeimpfte dürfte der Partei mit dem prominentesten Impfzauderer der Republik als Chef kaum behagen.

Gibt es also Diskussionen? Die CSU bleibt am Mittwoch wortkarg. Bayern werde die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz „eins zu eins umsetzen“, teilte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) mit. Ohnehin ändere sich nicht viel. „Die Testpflicht gilt schon, wir passen lediglich die Inzidenzgrenze an.“ Sie liegt künftig bei 35. Dasselbe gelte für Großveranstaltungen im Sport. In Stadien soll es etwa ein Limit von 25 000 Zuschauern geben.

Der Unsicherheitsfaktor Freie Wähler aber bleibt. „Im Moment ist alles im Fluss“, heißt es am Mittwoch aus Regierungskreisen. Das ist vieldeutig, zumal es in der Vergangenheit oft so war, dass die Partei am Corona-Regelwerk herummäkelte und am Ende doch zustimmte. Fraktionschef Florian Streibl gibt sich betont offen. „Wir können die Beschlüsse so mittragen, wie sie gefasst worden sind“, sagt er auf Anfrage. Allerdings sei „noch Musik drin, wenn’s um die langfristige Umsetzung geht“.

Über die 35er-Grenze etwa, ab der eine Testpflicht für Ungeimpfte gelten soll, sei noch zu reden. Neben der Inzidenz will Streibl andere Werte wie Impfquote und Hospitalisierung berücksichtigen. Eine Formel, von vielen schon gefordert, ist aber noch nicht in Sicht. An den kostenpflichtigen Tests stört sich der Fraktionschef heute weniger als vor einigen Tagen. Bis 11. Oktober sei die Impfquote sicher höher, sagt er. „Und wenn es um Selbsttests für 70 Cent das Stück geht, sind die Kosten irrelevant.“ Streibl wiederholt aber auch seine Forderung nach einem mittelfristigen Ende der Auflagen nach englischem Vorbild. Söder ist kein Freund davon. Das führe allenfalls „zur Wehrlosigkeit“, sagte er am Dienstag.

Nun muss erst mal das Kabinett beraten, einen Termin gibt es aber noch nicht. Brisant: Der Landtag, gerade in der Sommerpause, soll diesmal nicht eingebunden werden. Es genüge „das Umlaufverfahren innerhalb der Staatsregierung“, teilt Florian Herrmann mit. Auch Streibl sagt, es könne „ohne den Landtag gehen“.

In der Opposition hört man das nicht gerne. „Neue Einschränkungen ohne Beteiligung des Parlaments sind inakzeptabel“, sagt FDP-Fraktionschef Martin Hagen und fordert eine Sondersitzung des Parlaments. Sein SPD-Kollege Florian von Brunn sieht die Staatsregierung in der Bringschuld. Söder müsse den Landtag jetzt schnell darüber informieren, wie die MPK-Beschlüsse in Bayern umgesetzt werden. Bei einem erneuten Sonderweg gebe es durchaus Diskussionsbedarf.

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