Karlsruhe und das Wahlrecht

Das Gericht muss zur Axt greifen

von Redaktion

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Die Union ist demütig geworden gegenüber Karlsruhe. Jetzt japsen CDU und CSU schon glücklich auf, dass das Bundesverfassungsgericht eines ihrer Gesetze nicht als offensichtlich verfassungswidrig eingestuft hat – es also nur ein bisschen verfassungswidrig ist und erst später verworfen wird. Darüber darf man spotten. Tatsächlich hat die Entscheidung zum Wahlrecht aber viel Gutes.

Das halbherzige Bonsai-Reförmchen, mit dem Union und SPD den aufgeblähten Bundestag etwas einzudämmen gelobten, bleibt notdürftig in Kraft. Natürlich ist dieses Recht unzureichend, es verkleinert das Parlament kaum, was leider exakt so Vorsatz der Koalition war. Aber was auch immer dazu beiträgt, wenigstens ein Dutzend überflüssige Listenfüller weniger nach Berlin zu spülen, ist für 26. September willkommen. Deutschland bräuchte einen kleinen, mutigen Bundestag, keinen in Überfüllung erschlafften mit 1000 Abgeordneten, deren Selbstbewusstsein ihre Systemrelevanz allzu oft übersteigt.

Karlsruhe macht gleichzeitig deutlich: Ab 2022 wird das Wahlrecht noch mal gründlich auseinandergenommen. Bitte mit der Axt, nicht mit dem Wattestäbchen. Der Bundestag hat sich als reformunfähig in eigener Sache erwiesen, leider auch sein Präsident Schäuble, der in Partei-Ränkespielchen viel agiler als in der Parlamentsreform ist; das Gericht selbst muss enge Leitplanken einziehen. Es braucht eine Obergrenze und dazu ein neues Wahlrecht mit der Möglichkeit, mit der Zweitstimme innerhalb der Listen zu gewichten. In einer Demokratie ist das kein Mühsal, sondern der Mindeststandard.

Christian.Deutschlaender@ovb.net

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