München – Als Finanzminister ist Olaf Scholz im Umgang mit Zahlen geschult, die für ihn wichtigste Rechnung wiederholt er seit Monaten wieder und wieder. Um Kanzler zu werden, sagt der SPD-Kandidat selbstgewiss, genügten 20 Prozent der Stimmen – und ein Dreierbündnis. Bis vor Kurzem klang das allerdings wie das Rechenexempel eines Hoffnungslosen.
Inzwischen scheint es, als könnte die Sache tatsächlich aufgehen. Im ZDF-Politbarometer legt Scholz noch mal an Beliebtheit zu – er liegt deutlich vor den Kandidaten von Union und Grünen – auch seine Partei profitiert spürbar. Sie gewinnt drei Prozentpunkte und zieht mit den Grünen gleich. „Wir spüren ein Momentum“, sagt Scholz im Interview mit dem „Spiegel“. Bis zum Wahltermin am 26. September seien es ja noch sechs Wochen. „Es ist durchaus realistisch, dass die SPD die Wahl gewinnt.“
Die Selbstzufriedenheit ist auch dem Umstand geschuldet, dass Scholz’ Wahlkampf-Plan bislang aufgeht. Der innerparteiliche Streit ist weitgehend verstummt, der Vizekanzler agiert ruhig und riskiert – anders als die Konkurrenz – keine peinlichen Patzer. Hinzu kommt: Die Parteichefs Esken und Walter-Borjans sind im Willy-Brandt-Haus verbaut und stören den Wahlkampf deshalb nicht.
Dass sie und Scholz eher schlecht als recht zusammenpassen, ist bekannt. Im „Spiegel“ lobt der 63-Jährige aber die Zusammenarbeit. Sie sei „eng und vertrauensvoll“, man spreche sich stets „sehr intensiv“ ab. Scholz kann sich beide sogar in einem Regierungsamt vorstellen. „In der SPD sind viele ministrabel, die Führungsaufgaben in der Fraktion oder der Partei wahrnehmen“, sagte er, „die Vorsitzenden selbstverständlich auch.“
Bei aller Träumerei ist klar: Sollte die SPD am Wahlabend tatsächlich stärker als die Grünen werden, bräuchte es noch einen dritten Partner, der Scholz ins Kanzleramt hievt. Realistisch ist das nur mit der FDP. In den jüngsten Umfragen würde es für eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP reichen. Scholz, der sich bislang noch nicht für ein solches Bündnis ausgesprochen hat, findet zumindest Anknüpfungspunkte.
In Deutschland gebe es eine lange sozialliberale Tradition, betont er. Willy Brandt und Helmut Schmidt hätten beide mit der FDP regiert, „diese Zeit hat dem Land gutgetan“. Die teils recht unterschiedlichen inhaltlichen Akzente sind aus Scholz’ Sicht überbrückbar. Es komme immer auf den politischen Gestaltungswillen an. Dass er das Scheitern der Koalitionsverhandlungen 2017 nicht nur der FDP anlastet, ist auch ein kleiner Fingerzeig. Union und Grüne hätten „zu zweit verhandelt und gedacht, die FPD brauche nur noch zu unterschreiben. Das war nicht klug und kein Ausweis besonderer Regierungskunst.“
Soll heißen: Er würde das anders machen. „Ich will den Job von Frau Merkel“, sagt Scholz und es scheint, als gelte das auch für den aus seiner Sicht zweitbesten Wahlausgang: „Selbst auf Platz zwei kann man Kanzler werden. Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik schon häufiger gegeben.“ mmä