20 Jahre nach dem 11. September

Bidens Blamage

von Redaktion

MIKE SCHIER

Normalerweise wäre es nur ein Tag für eher symbolische Gedenkfeiern gewesen: In knapp vier Wochen jährt sich der für die USA lange traumatische 11. September zum 20. Mal. Nun reißt der abrupte Machtwechsel in Afghanistan die alten Wunden auf. Dort, wo der Massenmord einst seinen Ausgang nahm, feiern nun wieder islamistische Terroristen. Ein Schlag ins Gesicht für viele tausend Hinterbliebene und US-Soldaten, die in zwei Jahrzehnten ihr Leben riskierten. Für den erfahrenen US-Präsidenten Joe Biden, der eigentlich den außenpolitischen Dilettanten Donald Trump vergessen machen wollte, ist das die bislang größte Blamage seiner Amtszeit.

Der neue Präsident, außenpolitisch zwar erfahren, aber innenpolitisch stark unter Druck, hat zu einseitige Schwerpunkte gesetzt: Natürlich ist es richtig, das Augenmerk stärker auf China zu richten, das den USA den Rang als herrschende Weltmacht streitig macht und damit Demokratie und freie Wirtschaft gleichermaßen gefährdet. Doch wer seinen Fokus allzu eng zieht, könnte bald böse Überraschungen erleben: Nicht nur, weil für Terroristen, die nun neue Rückzugsräume erhalten, die USA der Erzfeind Nummer 1 bleiben. Sondern auch, weil man in Syrien erleben musste, wie amerikanisches (westliches) Desinteresse andere Mächte auf den Plan rief.

Dieser nicht durchdachte Rückzug des Weltpolizisten a.D. schwächt Status und Glaubwürdigkeit der USA weiter. Die Mahnungen nach der Abwahl Trumps, auch künftig würden die USA nicht zur alten Führungsstärke zurückkehren, erhalten ihren Praxis-Beleg. Europa und die neue Bundesregierung müssen sich außenpolitisch neu sortieren und endlich eigenständiger werden.

Mike.Schier@ovb.net

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