Sie werden sich tief ins Gewissen des Westens einbrennen: die anklagenden Bilder verzweifelter Afghanen, die die abziehenden ausländischen Militärs und Botschaftsmitarbeiter um eine letzte Mitfluggelegenheit ins rettende Ausland anflehen. TV-Aufnahmen zeigen, wie sie auf dem Flugfeld neben startenden Maschinen herrennen – doch diese sind schon voll besetzt mit den Ausländern, die das Land in wilder Flucht verlassen. Für die meisten ihrer tausenden afghanischen Helfer ist darin kein Platz mehr. Ihnen droht jetzt die grausame Rache der Taliban.
Der Westen erlebt in Afghanistan gerade sein moralisches Waterloo, und nichts versinnbildlicht die Schande eindrücklicher als der schmähliche Umgang mit den Ortskräften, die uns 20 Jahre lang dienten, sei es als Dolmetscher oder Küchenhelfer. Seit Monaten waren sich die deutschen Parteien über Visa für sie einig, doch erstaunlich wenig geschah. Am Wochenende dann, als sich die Lage dramatisch zuspitzte und die Amerikaner ihre Evakuierungsflüge längst aufgenommen hatten, verfiel die Bundespolitik vollends in Schockstarre – allen voran Außenminister Maas, der sich einmal mehr in Betroffenheitsfloskeln flüchtete, wo beherztes Handeln nötig gewesen wäre. Statt das Versagen der afghanischen Armee zu bejammern, hätte man in Berlin zeigen können, wie die eigene Bundeswehr es besser macht und Menschen in Not rausholt. Stattdessen wieder nur die übliche Einsicht: Wenn’s drauf ankommt, hat die deutsche Außenpolitik außer flammender Moral wenig zu bieten. An seinem Undank wird der Westen noch lange schwer zu tragen haben.
Georg.Anastasiadis@ovb.net