München – Es wirkt fast wie abgesprochen. Armin Laschet (CDU) im Konrad-Adenauer-Haus, Christian Lindner (FDP) im Hans-Dietrich-Genscher-Haus, beide Parteichefs stehen gestern Mittag in ihren Budesgeschäftsstellen in Berlin vor den Kameras, nur knapp 850 Meter voneinander entfernt. Mit derselben Botschaft treten sie an die Öffentlichkeit: Die neue Bundesregierung muss die deutsche Wirtschaft stärken, den Wohlstand sichern. Das ist nach der Pandemie oberste Priorität für die nächsten Jahre. Das ist die Basis für mögliche Koalitionsgespräche.
Sechs Wochen noch bis zur Bundestagswahl. Die aktuellen Umfragewerte zeigen: Jedes Ergebnis steht offen. Das Institut INSA sieht plötzlich die SPD mit 20 Prozent vor den Grünen (18 Prozent), die Unionsparteien sind auf 25 Prozent abgerutscht. „Es besteht jetzt die ganz große Gefahr, dass es eine Mehrheit jenseits der Union geben kann“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Sonntagabend bei „Bild Live“. „Das muss jedem klar sein.“
Seitenhieb für Armin Laschet. Der Vorwurf ist klar: Der Wahlkampf des Kanzlerkandidaten ist nicht hart genug. Die Verunsicherung, das Söder Recht haben könnte, kann Laschet gestern im Konrad-Adenauer-Haus nicht verbergen. „Für ausgeschlossen halte ich diese Ampel-Variante nicht“, gibt er zu. Man müsste aber „Herrn Lindner fragen“, ob er dazu bereit wär. „Alle Parteien links von der Union sagen, wir müssen die Steuern erhöhen und wir brauchen neue Belastungen für die Wirtschaft. Unsere Antwort ist das Gegenteil.“ Die Wirtschaft könne auch „ohne Steuererhöhungen“ und „mit Einhaltung der Schuldenbremse“ blühen.
Man könnte beinahe meinen, dass sich dieses Wahlversprechen mehr an die FDP als an den Wähler selbst richtet. Nur anderthalb Stunden vorher sagte Christian Lindner im Hans-Dietrich-Genscher-Haus: „Wir haben zwei Leitplanken für die zukünftige Politik: Keine Steuererhöhungen, kein Aufweichen der Schuldenbremse. Nur wer diese beiden Leitplanken akzeptiert, mit dem sprechen wir.“ Das sei auch „nicht verhandelbar“.
Es ist der Start in die heiße Wahlkampfphase. Lange galten die Grünen mit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin als einzig ernst zu nehmende Konkurrenz für die Union. Sowohl Baerbock als auch Laschet haben sich aber in den vergangenen Wochen immer unbeliebter gemacht: Nach den Schummeleien in Baerbocks Vita, den Plagiaten in ihrem Buch sowie Laschets öffentlichem Kichern in den Flutgebieten sind die Umfragewerte der Kanzlerkandidaten rapide gefallen. Laut ZDF-Politbarometer sehen nur 21 Prozent der Wähler Laschet als geeignet für das Kanzleramt. Bei Baerbock sind es 16 Prozent. Hingegen hat sich Olaf Scholz leisen Schrittes einen großen Vorsprung eingeholt: 44 Prozent der Befragten würden den SPD-Kandidaten am liebsten als Bundeskanzler sehen.
„Das ist ja doch eine schöne Botschaft, dass es besser wird mit den Umfragen“, sagte Scholz am Samstag in Bochum etwas nüchtern – und rief seine Partei dazu auf, viele weitere Menschen zu überzeugen. „Eine weitere von CDU und CSU geführte Bundesregierung kostet Deutschland Wohlstand, Arbeitsplätze und Zukunft“, warnte er.
Am Samstagabend dann stand Friedrich Merz als Vertreter der Sauerland-CDU in Olpe neben Armin Laschet und lobte den CDU-Kanzlerkandidaten dafür, dass er sich nun endlich „sehr kämpferisch“ im Wahlkampf präsentiert. „Darüber habe ich mich wirklich sehr gefreut“, sagte Merz. „Etwas leiser gesagt: Das war auch notwendig.“ Noch ein Seitenhieb für Armin Laschet. (mit dpa)