Desaster in Afghanistan

Das Übel der Korruption

von Redaktion

ALEXANDER WEBER

Es ist sicher richtig, wenn sich das öffentliche Interesse am Afghanistan-Desaster jetzt darauf konzentriert, wenigstens einen kleinen Teil der Folgen menschlichen Leids einzudämmen. Und die gefährdetsten Afghanen, die unseren Truppen vor Ort geholfen haben und jetzt schutzlos dem Treiben der Taliban ausgeliefert sind, in Sicherheit zu bringen. Doch man hat den Eindruck, mancher politisch Verantwortliche lenkt den Scheinwerfer nur zu gern auf die Aktualität, um bei wesentlich grundsätzlicheren Versäumnissen in der Vergangenheit dem Vergessen eine Chance zu geben. Den Gefallen sollten wir ihnen nicht tun.

Die politisch Verantwortlichen in den westlichen Staaten müssen ihren Bürgern schon erklären, wieso es in 20 Jahren unter militärischer Oberaufsicht nicht gelang, der politischen Führung in Kabul das Grundübel der Korruption auszutreiben. Warum darüber hinweggesehen wurde, dass der Sicherheitsapparat der Afghanen nur auf dem Papier wuchs, die westlichen Steuergelder für die Geistersoldaten und -Polizisten aber in den Taschen der Regierenden landeten? Insiderberichte darüber gab es seit Jahren genug. Wer wusste alles in Washington, Berlin und Paris davon und tat nichts? Oder: Während man in Europa mit hehren Worten Drogen den Krieg erklärte, marschierten unsere Soldaten am Hindukusch durch blühende Mohnfelder, statt sie alle abzufackeln und so den Drogenbaronen den Geldhahn zuzudrehen. Das Afghanistan-Abenteuer darf mit dem vollständigen Abzug unserer Truppen noch nicht beendet sein. Wir müssen Antworten finden, wenn ein ähnliches Debakel anderswo verhindert werden soll.

Alexander.Weber@ovb.net

Artikel 7 von 11