Warschau – Es soll nun alles sehr schnell gehen mit dem Bau eines Zauns an Polens Grenze zu Belarus. Ingenieure der polnischen Armee hätten die Sperre mit einer Höhe von 2,50 Metern bereits geplant, Soldaten würden die Ausführung übernehmen, sagte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak gestern. Bereits am Montag hatte er angekündigt, man werde noch in dieser Woche starten. In den kommenden Tagen sollen bis zu 1000 weitere Soldaten an die mehr als 400 Kilometer lange Grenze zum östlichen Nachbarland verlegt werden.
Der geplante Zaun ist Polens hastiger Versuch, sich vor den Launen und Einfällen des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko zu schützen. Der hat in Minsk mehrfach erklärt, dass seine Grenzschützer die Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werden – als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen gegen die vom Westen isolierte Ex-Sowjetrepublik.
Zunächst hatte vor allem die Baltenrepublik Litauen mit einem Andrang von Migranten aus dem Nahen Osten zu kämpfen. Seit Mai überquerten mehr als 4100 Flüchtlinge illegal die grüne Grenze zu Belarus, im gesamten Vorjahr griff der Grenzschutz dort 81 Migranten auf. Doch Anfang August begannen die Litauer, die Flüchtlinge abzuweisen. Die Lage hat sich dadurch stabilisiert.
Nun wächst der Druck auf Polen: Nach Angaben der polnischen Grenzschützer versuchten allein im August mehr als 2100 Migranten, illegal über Belarus nach Polen vorzudringen. 2020 wurden an diesem Grenzabschnitt etwas über hundert Flüchtlinge registriert. Bereits im Juli habe die polnische Armee 130 Kilometer der Ostgrenze mit einem Stacheldrahtverhau gesichert, sagte Verteidigungsminister Blaszczak.
Die Baltenländer Litauen, Lettland und Estland sowie Polen machen Lukaschenko für den plötzlichen Andrang verantwortlich. In einer Erklärung verurteilten sie dessen „politisch arrangierte Operation“. In die gleiche Kerbe schlägt Blaszczak: „Wir haben es hier mit einem Angriff auf Polen zu tun, man kann sagen, es handelt sich um einen hybriden Krieg. Es ist der Versuch, die EU und Polen zu destabilisieren.“
Polnische Medien sind voll von Berichten darüber, dass eine Tourismusagentur von Lukaschenkos Präsidialverwaltung in Krisenregionen wie dem Irak und Afghanistan für die Passage über Minsk in die EU werben lasse. Kommentatoren in Warschau sind sich einig: Es geht Lukaschenko auch um Rache. Denn nach den Massenprotesten gegen die Präsidentenwahl vom 9. August 2020 haben sowohl Litauen als auch Polen viele Oppositionelle aus Belarus aufgenommen.
Symbolisch für den Konflikt sind die Bilder von einer Gruppe von 24 Flüchtlingen, die seit fast zwei Wochen im Niemandsland ausharren. Das Lager ist von polnischen Grenzern und Soldaten umstellt. Auch auf der belarussischen Seite sind Sicherheitskräfte zu sehen. Das UN-Flüchtlingskommissariat appellierte, die Menschen auf polnisches Gebiet zu lassen und ihnen medizinische und juristische Hilfe zukommen zu lassen. DORIS HEIMANN