Söders neue Corona-Politik

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

München – Fabian Mehring hat richtig gute Laune. „Markus Söder wechselt vollumfänglich auf unseren Kurs“, freut sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler. Er klingt, als könne er es selbst nicht so recht fassen. Dann zählt er auf: Abschied von der Inzidenz. Abschied von der FFP2-Pflicht. Ein klares Bekenntnis zum Präsenzunterricht. 3G statt 2G – also die Möglichkeit, auch bei steigenden Corona-Zahlen als Ungeimpfter dank Tests am öffentlichen Leben teilnehmen zu können. Die Gespräche, die CSU und Freie Wähler im Vorfeld der Kabinettssitzung am Dienstag führen werden, dürften konfliktfrei laufen. „Man müsste Söder fast eine Beitrittserklärung der Freien Wähler schicken“, sagt Mehring und lacht.

So gut war die Stimmung im bayerischen Kabinett lange nicht. Die notorische Impfskepsis von Hubert Aiwanger hatte zuletzt dunkle Schatten auf das Bündnis geworfen. In der CSU heißt es, letztlich sei der FW-Chef von den eigenen Leuten eingebremst worden. Doch auch Söder dürfte einiges zu hören bekommen haben. Sein harter Corona-Kurs wird nach eineinhalb Jahren Pandemie längst nicht mehr von allen mitgetragen. Auch bei ihm ist kurz vor der Bundestagswahl eine deutliche Bewegung zu erkennen.

Ein wichtiges Symbol ist Söders Abkehr von der FFP2-Maske. Der CSU-Chef war der Erste, der die Regelung einführte und dann auf Bundesebene durchdrückte. Und er war der, der am längsten daran festhielt. In anderen europäischen Ländern hatte man die deutsche Vorgabe interessiert beobachtet – blieb selbst aber bei normalen OP-Masken. Wenn das Kabinett am Dienstag den neuen Corona-Weg einschlägt, ist auch in Bayern der FFP2-Zwang Geschichte – auch wenn viele Bürger freiwillig dabei bleiben dürften.

Doch damit nicht genug. Söder hat sich in den vergangenen Tagen in mehreren Punkten bewegt. Das fällt nicht nur Fabian Mehring auf. Lange wollte er weitere Schulschließungen nicht ganz ausschließen. Jetzt sagt er: „Ein zweites Schuljahr wie das letzte wäre nicht gut.“ Die Kinder sollen in Präsenz unterrichtet werden und führt psychische Probleme und soziale Ungleichheiten beim Lernfortschritt als zentrale Gründe an. Auch Hochschulen sollen wieder in Präsenz lehren.

Zudem werden die Quarantäneregeln geändert: Sollte es an Schulen künftig CoronaFälle geben, muss nicht mehr die ganze Klasse in Quarantäne, sondern nur die ein oder andere Kontaktperson. Dafür wird dann nicht dreimal pro Woche, sondern täglich getestet. Wenn der Schulauftakt gut läuft, schließt Söder im Oktober sogar Öffnungen von Discos und Nachtclubs nicht mehr aus – allerdings mit 3G-Regelung und für Getestete mit einer PCR-Pflicht.

Die Opposition staunt – und lobt. „Das geht in die richtige Richtung“, sagt FDP-Fraktionschef Martin Hagen. „Wir müssen jetzt Schritt für Schritt zurück zu Eigenverantwortung und Normalität gehen.“ Die SPD verweist darauf, man habe das Ende von FFP2 bereits vor Monaten gefordert. Söder habe „hier unnötig viel Zeit verstreichen lassen“, sagt Fraktionschef Florian von Brunn. „Der Verzicht auf FFP2-Masken wäre gerade in den Sommermonaten eine Erleichterung für viele Menschen gewesen.“ Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann registriert wohlwollend, dass ein „gewisser Pragmatismus“ Einzug hält. Er geht aber noch einen Schritt weiter. An Bushaltestellen und Bahnhöfen unter freiem Himmel könne man die Maskenpflicht lockern, wenn Abstand möglich sei. „Maskenpflicht macht wenig Sinn, wenn ein Pendler fast allein auf die S-Bahn wartet.“

Spannend wird, wie Bayern die Krankenhausampel gestaltet. Das Bundesgesundheitsministerium schlägt eine „Hospitalisierungs-Inzidenz“ vor – also die Zahl der zur Behandlung aufgenommenen Corona-Patienten je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Die konkrete Zahl soll jedes Bundesland festlegen. Bisher sind im Infektionsschutzgesetz feste Inzidenzwerte genannt, ab denen Behörden vor Ort einschreiten sollen „Das wird kein politischer Wert“, sagt Mehring. „Da sollten wir auf die Experten hören.“

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