Die SPD, die Linke und die Ampel

Die Träumer und der Realist

von Redaktion

MIKE SCHIER

Noch drei Wochen sind es bis zur Wahl, und in den Umfragen ist so viel Bewegung wie nie. Der Scholzzug rollt und im kleinen roten Anhänger ganz hinten glaubt auch die Linkspartei plötzlich ernsthaft an eine Beteiligung an der Macht. Mutig werden Bedingungen gestellt und sogar schon Ministerien verteilt. Olaf Scholz aber scheint zu erkennen, dass ihm diese Entwicklung gefährlich werden könnte. So deutlich wie am Sonntag hat sich der in Umfragen klar führende Kandidat noch nie distanziert.

Eigentlich hatten Beobachter ja noch vor wenigen Wochen eine existenzielle Krise der Linken diagnostiziert. Viele Wähler im Osten hatte man an die AfD verloren, intern war man zerstritten. Die neue, rein weibliche Doppelspitze Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow verkörperte wenig Aufbruch und viel linken Dogmatismus. Wissler trat für ihre Kandidatur aus der vom Verfassungsschutz beobachteten trotzkistischen Parteigruppierung Marx21 aus. Das klang nicht nach Regierung.

Und nun? In der euphorisierten SPD gibt es natürlich viele, die von einer Regierung ohne Union und FDP träumen. Das Sagen aber hat am Ende der Realist Scholz. Da er den arg ramponierten, eigentlich schon für schrottreif erklärten SPD-Karren ganz allein aus dem Dreck gezogen hat, verfügt er inzwischen über ein völlig anderes Standing als vor Monaten. Vorbei die Zeiten, in denen Kevin Kühnert als heimlicher starker Mann galt. Sollte die SPD stärkste Kraft werden, dürfte Scholz lieber auf die FDP zugehen. Und der eben erst vom Jamaika-Aus 2017 genesene Christian Lindner wird dieses Angebot kaum ausschlagen können – wenn er so Rot-Grün-Rot verhindert.

Mike.Schier@ovb.net

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