München – Drei Wochen vor der Bundestagswahl sind so viele Bündnisse möglich wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Laut Insa-Umfrage von gestern führt die SPD mit 25 Prozent (+1) klar vor der Union mit 20 Prozent (-1). Die Grünen folgen mit 16 Prozent (-1), dann kommt die FDP mit weiter 13 Prozent vor der AfD mit 12 Prozent (+1). Die Linke käme auf 7 Prozent (+1). Würde der Kanzler direkt gewählt, gäbe es einen klaren Favoriten: Im „Sonntagstrend“ führt Olaf Scholz (SPD) mit 32 Prozent (+1) souverän. Die Grüne Annalena Baerbock verliert mit 13 Prozent (-1) erneut an Boden. Weit abgeschlagen hält CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet mit unverändert 10 Prozentpünktchen die rote Laterne. Doch wer könnte überhaupt mit wem die nächste Regierung bilden? Ein Überblick:
Ampel
Eine Koalition aus SPD, FDP und Grünen käme derzeit mit 54 Prozent auf eine satte Mehrheit im Parlament. Stolperstein für ein solches Bündnis wäre vor allem die FDP. Parteichef Christian Lindner ist kein Ampel-Fan: „Mir fehlt die Vorstellungskraft, welches Angebot Herr Scholz und Frau Baerbock der FDP machen können.“ Vor allem in der Finanzpolitik (FDP will Steuersenkungen, Grüne und SPD planen Steuererhöhungen für Wohlhabende) und der Klimapolitik scheinen die Programme schwer vereinbar. Lindner sähe seine Partei ständig zur Bremserrolle verdammt. Bei den Liberalen wurde sogar erwogen, eine Ampelkoalition kurz vor der Wahl auszuschließen. Kalkül: Liberale Wähler, die ein Bündnis mit der Union präferieren, sollen durch die Möglichkeit eines Linksbündnisses nicht verprellt werden.
Jamaika
Nach derzeitigem Stand wäre ein erneuter Anlauf zu einem Jamaika-Bündnis für Armin Laschet die einzig verbliebene realistische Chance, noch Bundeskanzler zu werden. 2017 war diese Koalition an den Liberalen gescheitert. Damals brach FDP-Chef Lindner die Verhandlungen mit der Begründung ab: „Besser nicht regieren als falsch regieren.“ Mit 53 Prozent hätte Jamaika diesmal eine stabile Mehrheit. In dieser Kombination blieben zwar die programmatischen Unterschiede zu den Grünen – unter einem CDU-Kanzler Armin Laschet, mit dem die FDP bereits in Nordrhein-Westfalen regiert, erhofft sich Lindner aber mehr liberale Handschrift. Erklärtes Ziel Lindners ist neben der Regierungsbeteiligung das Amt des Bundesfinanzministers für sich selbst. Er möchte den in der Corona-Pandemie eingeschlagenen Weg in die Staatsverschuldung stoppen, die Schuldenbremse wieder aktivieren und zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückkehren.
Links-Bündnis
SPD, Linke und Grüne kämen laut „Sonntagstrend“ zusammen auf eine Mehrheit von 48 Prozent. Die Beteiligung der Linken wird bei den Sozialdemokraten aber unterschiedlich bewertet. Kanzlerkandidat Olaf Scholz lehnt Rot-Rot-Grün deutlich ab: Hauptgrund dafür ist nach eigener Aussage die jüngste Weigerung der Linken-Abgeordneten im Bundestag, dem Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Kabul zuzustimmen. Das sei „schlimm“ gewesen, so Scholz. Die Co-Parteivorsitzende Saskia Esken will ein Bündnis mit der Linken nicht ausschließen, wenn die Partei sich zu Nato und EU bekenne. Die Linke selbst bereitet sich jedoch so intensiv wie nie auf eine mögliche Regierungsbeteiligung vor. Die Spitzenkandidaten Janine Wissler und Dietmar Bartsch wollen heute eine Art Regierungsprogramm vorstellen. Kernforderungen: Mindestlohn und Renten erhöhen, Hartz-IV abschaffen, eine Kindergrundsicherung und ein bundesweiter Mietendeckel.
Deutschland-Koalition
Rein rechnerisch hätte ein solches schwarz-rot-gelbes Dreierbündnis, das an die Farben der Deutschland-Flagge erinnert, zwar eine haushohe Mehrheit von 58 Prozent. Und laut Umfragen würde eine solche Regierung auch von 39 Prozent der Bundesbürger grundsätzlich gutgeheißen. Politisch wird ein solches Bündnis aber schwierig. Aus sozialdemokratischer Sicht hätte die Deutschland-Koalition immerhin die Pointe, dass nach derzeitigem Stand die SPD mit Olaf Scholz zum ersten Mal seit 2005 wieder den Kanzler stellen würde. Doch inhaltlich haben sich Union und SPD in den letzten beiden Legislaturperioden in der Großen Koalition aneinander abgearbeitet. Und ob sich die Unionsparteien mit der Rolle des Juniorpartners zufrieden geben könnten, ist ungewiss. Dann zögen manche führende Unionspolitiker wohl den Gang in die Opposition vor.
Kenia-Koalition
Auch ein Bündnis aus SPD, CDU und Grünen auf Bundesebene wäre rechnerisch möglich. In der politischen Praxis ist es aber kaum denkbar.