Der Westen setzt Mali unter Druck

von Redaktion

VON KATHRIN BRAUN

München – Erst Afghanistan, jetzt Mali. Es zeichnet sich das Muster eines katastrophalen Krisenmanagements ab. Nachdem der Westen nach 20 Jahren Afghanistan in einem desaströsen Zustand verlassen hat, stellen Deutschland und Frankreich auch ihren achtjährigen Einsatz in Mali infrage. Auslöser: eine berüchtigte Truppe russischer Söldner. UN-Experten werfen der „Gruppe Wagner“ Menschenrechtsverletzungen vor. Von Folter, Vergewaltigungen und der Tötung von Zivilisten ist in Anschuldigungen die Rede.

Die „Gruppe Wagner“ ist ein privates Militärunternehmen. Eigentlich. Sie taucht überall dort auf, wo Russland nicht offiziell auftreten will. Die Söldner sollen etwa in Syrien und in der Ukraine gekämpft haben. Immer wieder wird der Gruppe eine Beziehung zu Putin nachgesagt. Der russische Oligarch Jewgeni Prigoschin soll die Gruppe finanzieren – er wird auch gerne „Putins Koch“ genannt, weil seine Firma für den Kreml gekocht haben soll.

Jetzt droht eine Zusammenarbeit zwischen der Militärjunta in Mali und den Russen. Rund 1000 Wagner-Söldner könnten zur Unterstützung nach Westafrika kommen. Laut der Regierung in Mali gehe es bislang nur um Gespräche. Genug, um den Westen zu provozieren. Frankreich drohte mit einem Abzug der Truppen. Und auch die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) twitterte: „Sollte sich die Zusammenarbeit von Mali mit russischen Söldnergruppen bestätigen, stellt das die Grundlagen des Mandats der Bundeswehr für Minusma und EUTM in Frage.“

Etwa 1200 Bundeswehrsoldaten sind aktuell in der Sahel-Zone im Rahmen des EU-Einsatzes EUTM und des UN-Einsatzes Minusma im Einsatz. Französische Truppen sind noch um einiges präsenter. Sie haben in der Nacht zu Donnerstag den Anführer des Sahara-Ablegers des Islamischen Staats (ISGS) durch einen Drohnenangriff getötet.

„Die Stimmung wegen der Gespräche mit der Gruppe Wagner ist in Europa weitaus angespannter als hier in Mali“, erzählt Thomas Schiller aus Malis Hauptstadt Bamako am Telefon. Er ist dort Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. „Die meisten Menschen hier interessiert das deutsche oder französische Engagement eigentlich gar nicht – die Leute haben ganz andere Sorgen, immerhin leben sie in einem der ärmsten Länder der Welt, und der Terrorismus ist nur eines der Symptome davon.“

Schiller sagt, er sei erstaunt über die Drohungen von Frankreich und Deutschland. „Denn wir haben hier ein grundsätzliches Problem, ganz unabhängig von Russland oder Wagner. Dieser Staat funktioniert in keiner Weise.“ Obwohl die internationale Staatengemeinschaft seit 2013 in Mali stationiert ist, sei die Situation jedes Jahr schlechter geworden. „Die Diskussion über die Zusammenarbeit mit Wagner geht am Thema vorbei“, findet er. „Man sollte eher diskutieren, was in der Unterstützung der vergangenen Jahre schief gelaufen ist.“ Ob man mit Wagner zusammenarbeitet, liege in der Verantwortung der „souveränen Staaten Afrikas“.

Mali-Expertin Anna Schmauder vom Clingendael Institute sieht das ähnlich. „Und man muss sich jetzt fragen: Wollen die Europäer wirklich die jahrelange Unterstützung einfach aufgeben – wegen rund 1000 Wagner-Männern?“ Sie sieht das skeptisch. „Ob die Drohungen aus Frankreich und Deutschland wirklich so ernst zu nehmen sind, kann man bezweifeln.“ Schmauder sieht darin eher ein rhetorisches Druckmittel gegenüber der militärischen Übergangsregierung von Malis Präsident Assimi Goïta, „um einen Deal mit Wagner zu vereiteln“. Für die malische Regierung sei die Aufregung um Wagner auch eine gelungene Ablenkung: „So wird weniger Aufmerksamkeit darauf gerichtet, dass die für kommenden Februar angesetzten Wahlen aller Voraussicht nach weiter verschoben werden“, meint sie, „und für die Übergangsregierung keine Priorität sind“.

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