Kurze Wege zwischen Synagoge und Polizei

von Redaktion

Der Schutz der jüdischen Gemeinden hat für die Staatsregierung „herausragende Bedeutung“

München – Auch in Bayern ist Polizeipräsenz vor vielen jüdischen Einrichtungen eine traurige Notwendigkeit. „Selbstredend“ erfolge eine Überprüfung aufgrund der Ereignisse in Hagen, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Man beobachte die Lage „sehr sensibel“ und tue alles, was nötig sei, „um die Sicherheit zu gewährleisten“.

Zum Schutz der jüdischen Gemeinden gehört allerdings auch, nicht allzu detailliert darüber zu sprechen, wie dieser Schutz aussieht. Dass das Jom-Kippur-Fest für die Sicherheitsbehörden einen besonderen Termin bedeutet, liegt freilich auf der Hand. Die Intensität der Maßnahmen richte sich auch nach der „Symbolträchtigkeit einzelner (Gedenk-)Tage“, heißt es dazu aus dem Ministerium. „Hohen jüdischen Feiertagen“ komme bei der Beurteilung eine besondere Bedeutung zu. Von einer konkreten Gefährdung in jüngster Vergangenheit und speziell in Zusammenhang mit Jom Kippur ist der Polizei aber nichts bekannt gewesen.

Der Schutz der jüdischen Mitbürger habe für die Staatsregierung „herausragende Bedeutung“, sagt Innenminister Joachim Herrmann. Seit Jahren bewähre es sich, dass die Gemeinden in unmittelbarem Kontakt zu den zuständigen Polizeidienststellen stünden. Nach dem Anschlag von Halle stellte der Freistaat elf Millionen Euro für die Erhöhung des technischen Sicherheitsstandards zur Verfügung. 8,6 Millionen sind davon bereits geflossen.

Und doch gibt es keine allumfassende Sicherheit. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS) berichtet von 154 Vorfällen, die ihr allein im ersten Halbjahr gemeldet wurden. 62 davon ereigneten sich in München. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem zweiten Halbjahr 2020, als 121 Vorfälle notiert wurden, 54 von ihnen in der Landeshauptstadt. In die jüngste Statistik gehen zwei Angriffe und fünf Bedrohungen ebenso ein wie zwölf gezielte Sachbeschädigungen oder 67 Versammlungen.

Annette Seidel-Arpaci, Leiterin von RIAS Bayern, wertet die Ereignisse in Hagen als weiteren Beleg dafür, „dass Juden in Deutschland permanent in Angst vor Angriffen leben müssen“. Wenn man sich an Jom Kippur nicht einmal zum Gottesdienst versammeln könne, sei dies „ein unerträglicher Zustand“.

Ähnlich äußerte sich die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. „Der mutmaßliche Anschlagsversuch auf die Hagener Synagoge zeigt erneut, dass jüdisches Leben ohne Angst in Deutschland noch immer nicht möglich ist, allen guten Worten zum Trotz. Es ist beruhigend, dass die Sicherheitskräfte Schlimmeres verhindert haben und anders als in der Vergangenheit in Hagen niemand zu Schaden gekommen ist. Aber: Die Nachrichten des letzten Tages unterstreichen, wie weit der Judenhass in unserem Land bereits verbreitet ist. Jüdisches Leben ist ohne Polizeischutz undenkbar.“  mb

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