„Ich habe plötzlich viele Gegner“

von Redaktion

Peter R. Neumann (46) lehrt am Londoner King’s College und ist einer der profiliertesten Terror-Experten. Jetzt soll er helfen, Armin Laschet doch noch ins Kanzleramt zu bringen. Der gebürtige Würzburger über seine neue Rolle in der Politik, islamistische Gefährder – und einen möglichen Wechsel nach Berlin.

Herr Neumann, unter uns: Sie als Franke hätten sicher lieber einen Kanzlerkandidaten Söder unterstützt…

Da muss ich Sie enttäuschen. Ich kenne Armin Laschet seit fünf Jahren, habe ihn schon im Landtagswahlkampf 2017 beraten und eine sehr vertrauensvolle persönliche Beziehung zu ihm. Für mich war immer klar, dass ich ihm im Falle einer Kanzlerkandidatur helfen würde.

Das Zukunftsteam, dem Sie angehören, soll auf den letzten Metern eine verkorkste Kandidatur retten. Das klingt undankbar…

Das stimmt nicht. Das Zukunftsteam ist ins Leben gerufen worden, um wichtige Themen mit Köpfen zu verbinden. Sicher, die Umfragen der letzten Wochen waren schwierig, aber das war 2017 genauso. Damals hat Armin Laschet es in den letzten elf Tagen gedreht und auch jetzt gibt es positive Zeichen. Ich glaube, einige werden überrascht sein, wie gut die Union am Wahlabend dasteht.

Jetzt klingen Sie schon wie ein Polit-Profi. Wie ist die neue Rolle bisher für Sie?

(lacht) Ich stand ja vorher schon in der Öffentlichkeit, die Situation ist also nicht ganz neu. Aber dadurch, dass ich jetzt so eindeutig Partei ergreife, habe ich plötzlich viele Gegner, die meine Aussagen verdrehen oder CDU-kritische Tweets von mir ausgraben. Die gibt es natürlich, weil ich kein Berufspolitiker bin und immer unabhängig gedacht habe. Aber genau das schätzen viele an mir.

Haben Sie eigentlich Sorge, dass jetzt Ihr Ruf als Wissenschaftler leidet?

Das wird wahrscheinlich so sein, weil es in Deutschland ungewöhnlich ist, dass Politologen so klar Position beziehen. Schauen Sie: Als Student in Berlin habe ich die Vorlesungen von Gesine Schwan gehört und habe sie bewundert, aber allen war klar, dass sie in der SPD war, und das war völlig okay. Das Problem, das einige mit mir haben, ist, dass ich mich für einen CDU-Kandidaten engagiere. Das passt halt nicht ins Konzept.

Armin Laschet gilt als beratungsresistent. Ist das bei Sicherheitsfragen auch so?

Das Bild, das von Herrn Laschet gezeichnet wird, ist meiner Meinung nach eine Karikatur – jedenfalls erlebe ich ihn völlig anders. Die Person, die ich kenne, ist eine, die zuhört, die an Menschen interessiert ist und die kein so großes Ego hat, dass kein anderer neben ihm Platz hat.

Ihr Kerngebiet ist islamistischer Terror, mit dem wir plötzlich wieder konfrontiert sind. Ein Anschlag auf eine Synagoge in Hagen konnte nur durch Hinweise aus dem Ausland verhindert werden. Sind wir in der Terror-Abwehr immer noch zu nachlässig?

Wir können dankbar sein, das es den Hinweis gab und ein Anschlag verhindert werden konnte. Richtig ist aber auch, dass wir noch besser vernetzen müssen. Geheimdienste, Polizei und Justiz müssen im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen noch enger zusammenarbeiten, von der Kommune bis zum europäischen Level brauchen wir mehr Informationsaustausch und gemeinsame Handlungsstrategien. Auch deswegen fordern wir einen nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt, der auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse des Bundes und der Länder zusammenführt. Vernetzte Sicherheit ist der richtige Weg beim Kampf gegen Terrorismus und gegen die organisierte Kriminalität.

Der Verfassungsschutz zählt 2000 gefährliche Islamisten in Deutschland. Das spricht kaum für die bisherige Sicherheitspolitik der Union. Was ist zu tun?

Die Zahl ist deutlich geringer als noch vor fünf oder sechs Jahren, als wir bei 3000 bis 4000 waren. Die Sicherheitslage hat sich also schon verbessert. Das hat aber nicht nur mit der Arbeit der Bundesregierung zu tun, sondern auch mit dem internationalen Klima. Der IS hat in den letzten Jahren viele Anhänger verloren. Aber natürlich gibt es weiterhin eine Gefahr. Es geht um Einzeltäter, die sich im Internet radikalisieren und oft psychische Störungen aufweisen. Das ist eine Gruppe, die nur ganz schwer in den Griff zu kriegen ist.

Generell: Wie müssen wir uns nach der Wahl sicherheitspolitisch aufstellen?

Wir müssen Außen- und Sicherheitspolitik besser vernetzen, Koordinierung findet zurzeit vor allem in Krisenzeiten statt. Afghanistan zum Beispiel haben wir zu lange als reinen Militäreinsatz verstanden, obwohl die Sache viel komplexer war. Es hätte also geholfen, wenn sich die Ministerien abgesprochen hätten. Im Inneren brauchen wir außerdem eine bessere Vernetzung der Behörden, etwa im Einsatz gegen Clans. In NRW hat das schon großen Erfolg gehabt. Und es bedarf dringend einer europäischen Gefährderdatei, weil Verbrecher sich längst grenzüberschreitend organisieren. Das ist ein Projekt, das ich gerne in Angriff nehmen würde.

Als Innenminister?

Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen, und Armin Laschet hat mir auch gesagt, dass er mich gerne in Berlin hätte. Was wir nicht besprochen haben, ist die Rolle. Das macht jetzt auch keinen Sinn.

Aber Umweltminister werden Sie wohl kaum…

Und Gesundheitsminister sicher auch nicht. Aber sonst bin ich total offen.

Interview: Marcus Mäckler

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