Eine Woche vor der Wahl

Nach der Wahl beginnt der Poker

von Redaktion

MIKE SCHIER

Der Wahlkampf setzt zum Schlussspurt an – dabei ist eigentlich schon alles gesagt. Nie war das Volk im Fernsehen einer derartigen Dauerbeschallung ausgesetzt: Jeden Abend tauchen die Kanzlerkandidaten auf einem anderen Kanal auf, meist mit überschaubarem Erkenntnisgewinn. Viele Wähler haben längst ihre Kreuzchen auf dem Briefwahlzettel gemacht – und der Rest hätte auch nichts dagegen, wenn der Schaukampf schon an diesem Sonntag ein Ende fände. Denn die wirklich spannende Phase beginnt erst nach dem Wahlgang.

Dem Land stehen Koalitionsverhandlungen bevor, die es so noch nie gegeben hat. Selbst unter langjährigen Politprofis herrscht Unsicherheit, wie sich die Regierungsfindung nach der Wahl gestalten könnte. Die meisten rechnen mit einem knappen Ergebnis. Gut möglich, dass die Wähler auch nach Verkündung des vorläufigen Endergebnisses keine Ahnung haben, wer der nächste Kanzler ist. Und dann? Natürlich wird die stärkste Partei den Regierungsauftrag erst einmal für sich reklamieren. Doch was ist, wenn auch der Zweitplatzierte mit einem Dreierbündnis bequem eine Mehrheit finden könnte. Parallele Verhandlungen sind nicht ausgeschlossen.

Hinter den vermutlich führenden SPD und Union dürften deshalb Grüne und FDP beachtliche Verhandlungsmacht besitzen. Die Liberalen wären also schön blöd, wenn sie – wie ursprünglich angedacht und von Markus Söder nun gefordert – ein Ampel-Bündnis ausschlössen. Nein, für den Poker halten sich alle alles offen. Sicher ist nur: Die Verhandlungen werden sich noch länger hinziehen als dieser Wahlkampf. Gut möglich, dass Angela Merkel auch das Jahr 2022 als Bundeskanzlerin beginnt.

Mike.Schier@ovb.net

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