TV-Triell: Rot-Grün gegen die Union

von Redaktion

Die finale Debatte: Baerbock attackiert, Laschet holt weit aus, Scholz meidet wieder den Nahkampf

München – Fast eine Stunde dauert das Gespräch bereits, da scheint sich ernsthafte Sorge in Annalena Baerbock zu regen. „Ich frage mich, was eigentlich mit Ihnen los ist“, sagt sie zu ihrem Nebenmann Armin Laschet, sie klingt beinahe fassungslos und auch ein bisschen mitfühlend. Die Grünen-Kandidatin hat sich zu diesem Zeitpunkt des dritten TV-Triells schon umfassend an der Klimapolitik des CDU-Mannes abgearbeitet und ihm wortreich eine Strategie des „Weiter so“ unterstellt. Mittlerweile setze sogar die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen voll auf Grün. Und die, immerhin Laschets Parteifreundin, sei „bekanntermaßen keine Grüne“.

Die Frage im Vorfeld war ja, was so ein drittes Triell –oder wie die Moderatorinnen es nannten: die letzte Chance – noch an Neuem bringen sollte, verglichen mit den ersten beiden Auflagen. Alle Argumente schienen ausgereizt, alle Vorwürfe platziert. Es wird dann aber doch eine sehr muntere Runde mit frontalen Angriffen, vor allem von Rot-Grün auf die Union, wenig Geschwafel und den Moderatorinnen Linda Zervakis und Claudia von Brauchitsch, die dafür sorgen, dass das Triell nie an Schwung verliert.

Gleich am Anfang streuen sie eine Prise Reality-Politik ein. In einem Einspieler kommen die zu Wort, die sonst zu kurz kommen: Die überarbeitete Mutter, das vernachlässigte Kind. Schon ist man in einer lebhaften Debatte um Mindestlohn und soziale Gerechtigkeit. Baerbock wirft Laschet vor, „zurück in die 90er-Jahre zu fallen“, weil der die Tarifbindung betont. Der CDU-Kandidat attackiert Olaf Scholz, der in Tariffragen den Dialog mit den Gewerkschaften gesucht habe, und ruft „Wer soll Ihnen das abnehmen, Herr Scholz?“ Der SPD-Mann wiederum wird persönlich. „Mir geht es um die Würde der Bürger“, sagt er zu Laschet. „Das ist es, was uns vielleicht unterscheidet.“

Dieses Szenario kennt man aus dem zweiten Triell. Während sich Laschet und Scholz intensiv beharken, bleibt Baerbock, zwischen den beiden Streithähnen platziert, bei einem ihrer Herzensthemen phasenweise nur die Rolle der Zuhörerin. Aber lange währt dieser Zustand diesmal nicht, und freundlich-moderat ist die Grüne schon gar nicht aufgelegt, was besonders Laschet („Bleiben Sie mal bei den Fakten“) harsch zu spüren bekommt.

Immer wieder sieht sich der CDU-Kandidat von den beiden anderen rhetorisch in die Zange genommen. Vielleicht auch deshalb geraten seine Antworten arg lang. Nach einer halben Stunde liegt er in der Redezeit weit vor den anderen. Es geht für die Union eben um alles. Obwohl sie, je nach Umfrage, zwei bis sechs Prozentpunkte hinter der SPD zurückliegt, beschwört der CDU-Bundesvize Thomas Strobl vor der Sendung ein mögliches „Wimpernschlag-Finale“. Bis zu einem Drittel der Wähler seien noch unentschlossen.

Von einer Richtungswahl spricht dann aber nicht allein der Unions-Kandidat, sondern auch Baerbock. „Die nächste Regierung muss eine Klimaregierung sein“, fordert sie. Nicht nur bei Laschet zweifelt sie die Eignung an. Das Pariser Abkommen einzuhalten und gleichzeitig noch 17 Jahre auf Kohle zu setzen, „passt vorne und hinten nicht zusammen“, wirft sie Scholz vor. Der ist da ganz anderer Meinung, richtet seine Kritik aber eher an die Union. Armin Laschet jedoch hält sich beim Thema Klima bemerkenswert zurück.

Corona, Pflege, Schule, Koalitionen – die Themen liegen auf der Hand, wobei Außenpolitik erneut nicht die geringste Rolle spielt. Und was auch diesmal ins Auge sticht: Olaf Scholz, der Umfragekönig, hält sich aus dem Nahkampf weitgehend raus. Streiten sollen sich die anderen. Der Mann, der Kanzler werden will, agiert auch an diesem Abend regelrecht präsidial. MARC BEYER

Artikel 1 von 11