München/Berlin – Zum bundesweiten Wahlkampffinale am Freitag ziehen sie bei der Union alle Register. Armin Laschet wird Schulter an Schulter mit Markus Söder in München auftreten, es wird ein Jubelfest mit Blasmusik geben, vor der Tür am Nockherberg treten sogar die Truderinger Böllerschützen zum Ehrensalut an. Alles recht spektakulär, wirklich ungewöhnlich ist aber etwas anderes: Angela Merkel wird dabei sein.
Man sah die Kanzlerin bisher nicht oft im Wahlkampf, sie schwebte eher über dem Parteienstreit, auch über dem eigenen. Als die Union ihren Nachfolger suchte, hielt sich die langjährige Parteivorsitzende komplett raus. In München glaubt man zu wissen, sie halte Söder für den fähigeren, bissigeren Kandidaten. Nach Indizien wurde oft gesucht, etwa in ihrem pompösen Bayern-Besuch am Chiemsee. Doch Merkel hat jede Festlegung gemieden.
Ihre Beiträge nun im Wahlkampf sind eng dosiert. Einer der entschlossensten Auftritte war ausgerechnet im Bundestag, in dem sich Merkel sonst nüchtern-präsidial gab. In der letzten Sitzung vor zwei Wochen beschwor sie eine „Richtungsentscheidung“ für Deutschland. „Es ist nicht egal, wer dieses Land regiert“, der beste Weg sei der mit Laschet als Kanzler.
Ansonsten hielt sie sich zurück. Kaum Interviews mit Laschet-Lob, ohnehin stellt sich Merkel immer seltener Journalisten, erst recht kritischen. Kein gemeinsames Plakat, wozu sich selbst Adenauer für Erhard 1961 und Brandt für Schmidt 1976 durchgerungen hatten. Noch weniger zeigte sie Lust, im Wahlkampf über die Marktplätze zu tingeln. Nicht nur wegen der Pandemie. Merkel erinnere sich zu gut an ihren Wahlkampf auf bayerischen Marktplätzen 2017, heißt es in der CSU. Damals wurde sie unter anderem in München und Rosenheim ausgepfiffen, teils von organisierten Störern, teils von Passanten.
Umso überraschender ist nun das Umdenken auf den letzten Metern. Drei große Auftritte mit Laschet hat Merkel zugesagt: Gestern Abend in Stralsund, am Freitag das offizielle Finale in München und am Samstag ein Zusatztermin in Aachen, der Heimat des Kandidaten. Die Laschet-Leute dürften im Kanzleramt sehr darum gebeten haben. Alles ist recht, um die verheerenden Umfragen noch irgendwie zu drehen.
Gleichzeitig will Merkel auch nicht als diejenige dastehen, die zu wenig für Laschet getan habe – wenn am Wahlabend in der Union die große Abrechnung startet. „Warum hilft Merkel Laschet nicht?“, titelte etwa die „Welt“ im August.
Laschet legt sich damit fest: Er wirbt um Merkels Wähler, nicht um ihre Kritiker und die von ihr Enttäuschten, die es auch in der Union in großer Zahl gibt. Der Streit um die Migrationspolitik und den Herbst 2015 ist ja nur verdeckt, nicht ausgeräumt. Sie habe „unser Land krisenfest regiert, da will ich anknüpfen“, sagt Laschet nun.
Dieses Bekenntnis kommt spät. In der Zwischenzeit hat sich ja bereits ein Konkurrent bereit erklärt, das Merkel-Erbe fortzuführen: Olaf Scholz, der SPD-Vizekanzler, präsentiert sich in seiner staatstragenden Gelassenheit und dem moderaten Ton als Nachfolger. Auffällig oft betont er Gemeinsamkeiten und gemeinsame Beschlüsse. Im August ließ er sich gar mit der Merkel-Raute fotografieren.
Was bringt Laschet nun die Merkel-Hilfe? Ja, er müsse Interesse an ihrer Unterstützung haben, sagt die Politik-Professorin Ursula Münch. Merkel sei bei Frauen, vor allem älteren, überdurchschnittlich gut angekommen. „Diesen Rückhalt könnte Laschet jetzt natürlich brauchen. Aber: Das Problem ist, dass dieser Zulauf der Wählerinnenschaft spezifisch auf Angela Merkel ausgerichtet war.“ Münch sagt, Merkel habe sich programmatisch zum Teil von ihrer Partei gelöst, dadurch andere Wählerkreise gewonnen. Was aber für sie funktionierte, „funktioniert für die CDU – geschweige denn für Armin Laschet – noch lange nicht“.