Suhl/Berlin – Flop oder top – für Hans-Georg Maaßen geht es in diesen Tagen zwischen Sonneberg und Suhl um viel: Schafft der 2018 entlassene Verfassungsschutzpräsident, CDU-Politiker und gebürtige Rheinländer den Einzug in den Bundestag – gegen den Widerstand selbst von Mitgliedern des Wahlkampfteams von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet? Oder folgt nach dem Wahlkampfausflug in Südthüringen das Pensionärsdasein eines Ex-Spitzenbeamten?
Der Wahlkreis 196, in dem Maaßen gegen Biathlon-Olympiasieger Frank Ullrich von der SPD antritt, gilt als einer der interessantesten bei der Bundestagswahl am 26. September. Manche sprechen sogar von einem politischen Experiment.
Gekämpft wird derzeit in der Region an der Grenze zu Bayern, was das Zeug hält. Wie ein Tross ziehen die sechs Direktkandidaten von CDU, SPD, AfD, Linke, Grünen und FDP von Wahlforum zu Wahlforum. Für eines in Suhl musste kürzlich der größte Saal im Congresszentrum der Stadt gemietet werden. „Wir wollen uns selbst eine Meinung bilden, wer da kandidiert. Es ist spannend dieses Mal“, begründet ein Ehepaar den Zulauf.
Warum die große Aufmerksamkeit für Maaßen, auch bundesweit? Er sei so etwas wie der Prüfstein für die Zuverlässigkeit der CDU in ihrer Abgrenzung gegen rechts, gegen die AfD, sagt der Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland. Der Verdacht der politischen Unzuverlässigkeit, der auch von konkurrierenden Parteien komme, halte ihn im Gespräch.
Maaßen, der in seinem Denken von seiner Arbeit im Sicherheitsapparat geprägt sei und mehr Risiken als Chancen der Migration sehe, agiere innerhalb der CDU am konservativen Rand. Dieses Segment sei in der Ära von CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel vernachlässigt worden, so Oppelland. „Es gibt aber Leute in der CDU, die seine Positionen zur inneren Sicherheit teilen.“ Bei potenziellen Wählern geht die Meinung über den CDU-Kandidaten, der mit provokanten Thesen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zur Migrationspolitik oder seiner angeblichen „Dämonisierung“ für Aufregung sorgt, weit auseinander. „Es ist eine Zumutung von der CDU, uns so einen anzubieten – und wir haben eine sehr konservative CDU hier. Maaßen hat doch mit Südthüringen nichts zu tun“, sagt eine ältere Frau. „Wenigstens mal einer, der klare Worte findet“, lobt dagegen ein Mittvierziger Maaßen, der inzwischen in Suhl wohnt. Auf die Frage, wie er es mit der Zuwanderung ausländischer Fachkräfte halte, sagte der Ex-Verfassungsschützer: „Ich bin der Meinung, dass ein Volk von 82 Millionen die Fachkräfte hervorbringen kann, die wir brauchen.“ SPD-Mann Ullrich kontert, „Suhl hat 30 000 Leute verloren. Das ist eine schrumpfende Stadt“.
Maaßen spricht im Wahlkampf von seiner Mission, die AfD zu schwächen und Protestwähler zurückzugewinnen. Er vertrete „Positionen der klassischen CDU“ und wolle verhindern, „dass Deutschland in einen schleichenden Sozialismus gerät“. Mit seinen Positionen kommt der CDU-Rechte allerdings auch bei denen an, die er angeblich bekämpfen will: Die AfD-Fraktion im Suhler Stadtrat hat ihre Parteianhänger am Mittwoch aufgefordert, die Erststimme Maaßen zu geben. Zuvor hatte schon der szenebekannte Neonazi Tommy Frenck Werbung für den CDU-Mann gemacht. Zumindest letzteres bezeichnete Maaßen als „unerwünschte Unterstützung“.SIMONE ROTHE