Wieder „special“: Johnson in den USA

von Redaktion

VON CHRISTIANE JACKE UND BENEDIKT VON IMHOFF

Washington – Boris Johnson bemüht den Zug. Der britische Premier ist mit dem Amtrak-Zug von New York nach Washington gereist, um dort im Weißen Haus den US-Präsidenten zu treffen. Joe Biden kennt den Zug gut, er ist darin jahrzehntelang zwischen der US-Hauptstadt und seiner Heimat Delaware gependelt, erst als Senator, später als Vizepräsident. Bidens Amtrak-Liebe ist weithin bekannt.

So hat der Brite, der demnächst eine Weltklimakonferenz in Glasgow zu bestreiten hat, den Trip von der UN-Generalversammlung zu Biden auf der Schiene angetreten – dem Klima und dem Präsidenten zuliebe. Angekommen im Oval Office schmeichelt der Brite seinem Gastgeber. Biden sei für die Bahn-Mitarbeiter sowas wie ein Gott: „Die lieben dich.“ Und Biden nutzt die Vorlage, um eine seiner Bahn-Anekdoten zu erzählen.

Johnson bemüht sich um Überschwang bei dem Treffen. Das Wort „fantastisch“ bringt er bei den kurzen Eingangsstatements mit Biden gleich drei Mal unter. Dabei sah es zwischenzeitlich so aus, als müsste Johnson bei seinem Besuch im Weißen Haus die Scherben der einst so „speziellen Beziehung“ zwischen den USA und Großbritannien aufkehren. Der chaotische Abzug der US-geführten Koalition aus Afghanistan hatte in London zu Zorn und Unverständnis geführt. Auch Johnson zeigte sich irritiert, sein Verteidigungsminister Ben Wallace schien sogar den Großmachtstatus des engsten Verbündeten infrage zu stellen. Doch rechtzeitig zu Johnsons Antrittsbesuch bei Biden ist die „special relationship“ zurück. Allerdings hat die neue Hochstimmung ihren Preis.

Vor einer Woche verkündeten Biden und Johnson gemeinsam mit dem australischen Regierungschef Scott Morrison überraschend einen neuen Sicherheitspakt im Indopazifik. Der Plan sieht unter anderem vor, Australien beim Bau von U-Booten mit Nuklearantrieb zu unterstützen. Die Reaktionen: verheerend. Frankreich schäumt vor Wut, weil dem Land dadurch ein milliardenschwerer U-Boot-Deal mit Australien entglitten ist. Andere europäische Staaten fühlen sich ebenfalls vor den Kopf gestoßen und zeigen sich solidarisch mit Paris. Diplomatische Gespräche und Veranstaltungen wurden abgesagt, die französischen Botschafter vorerst aus den USA und Australien zurückbeordert. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian schimpfte laut und ganz undiplomatisch über das „brutale“ Vorgehen der Partner, das quasi einem „Dolchstoß“ gleichkomme. Immerhin: Gestern telefonierten Biden und sein französischer Amtskolege Emmanuel Macron und vereinbarten ein Treffen Ende Oktober in Europa.

Biden und Johnson erwähnen diese Verwerfungen bei ihrer Zusammenkunft im Weißen Haus nicht. Johnson sagt vielmehr, das neue Bündnis habe das Potenzial, die Sicherheit der ganzen Welt zu verbessern. Beide scheinen entschlossen, bei dem Treffen positive Signale auszusenden.

Der US-Präsident hatte Johnson schon vorab beglückt: Einen Tag vor dessen Besuch kündigte die US-Regierung an, ab November voll geimpfte Reisende aus Großbritannien, der EU und anderen Staaten wieder ins Land zu lassen. „Fantastisch“, befindet Johnson. Wenige Stunden vor dem Treffen mit Johnson verkündete Biden dann noch, die USA wollten ihre Klimahilfen für ärmere Länder verdoppeln. Johnson dürfte das als Gastgeber der Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow im November Hoffnung geben, dass die Beratungen dort nicht kolossal scheitern.

Doch es gibt auch Schatten: Schon vor seinem Amtsantritt hatte Biden häufig den von Johnson vorangetriebenen Brexit kritisiert. Später ermahnte die Biden-Regierung dann, der britische Premier möge sich zu den Abmachungen bekennen, die er wegen des EU-Austritts mit Brüssel getroffen hatte. Daran erinnert Biden seinen Gast auch im Oval Office sanft. Der US-Präsident hat bislang außerdem kein Interesse daran erkennen lassen, ein von Johnson sehnlich erhofftes Freihandelsabkommen – eines der Hauptargumente für den Brexit – voranzubringen. Das Wort „fantastisch“ fällt an dieser Stelle nicht.

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