Armin Laschet
Gottvertrauen allein reicht nicht für einen Wahlsieg. Armin Laschet, bekanntermaßen ein gläubiger Katholik, meinte dennoch lange, es werde schon gut gehen. Die Annahme: Als natürlicher Erbe Angela Merkels könne er geräuschlos in deren Fußstapfen treten. Er kopierte die Taktik der asymmetrischen Demobilisierung, blieb inhaltlich – gerade im Wahlprogramm – vage und hoffte, die lange soliden Umfragewerte so ins Ziel zu bringen.
„Die CDU dachte früh, die Wahl sei gelaufen“, sagt Parteienforscher Jürgen Falter von der Uni Mainz. „Das war eine grandiose Fehlkalkulation.“ Es folgten kleine und große Patzer des Kandidaten, ein Feixen im Flutgebiet, schnippische Interviews. Die ehemalige „Bild“-Chefin Tanit Koch, die Laschet ins Team geholt hatte, um ihn öffentlich ins rechte Licht zu rücken, bewahrte ihn nicht davor. Doch statt die maue Popularität mit Inhalten zu kompensieren, blieb Laschet bei der passiven Linie.
Mehr kantige Inhalte – die Forderung kam immer wieder auch aus Bayern. Mal diskret, meist rumpelnd wie Ende Juli, als Markus Söder ein Ende des Schlafwagen-Wahlkampfs forderte. In CSU-Kreisen heißt es, man habe Laschet bis zuletzt gedrängt, doch noch einen inhaltlichen Aufschlag zu machen. Der aber sei beratungsresistent.
Erst auf den letzten Metern, desaströse 20-Prozent-Umfragen vor Augen, steuerte er leicht gegen. Laschet attackierte Olaf Scholz, stellte ein Zukunftsteam plus Klimarat vor (die gleich wieder in der Versenkung verschwanden). Selbst Merkel schaltete sich in der Not ein. Ihr drängendstes Argument: Ohne Laschet kommt Rot-Grün-Rot.
Reicht das? Laut einer Bayern-Umfrage für Sat. 1 würden 22 Prozent Laschet direkt wählen, 34 Prozent sagen, ihr Bild von ihm habe sich in den vergangenen zwei Wochen verbessert. Falter glaubt, die Union werde besser abschneiden, als die Umfragen sagen, aber nicht wegen des Kandidaten. „Er strahlt nicht den unbedingten Willen aus, die Wahl noch zu drehen.“ Je nach Ergebnis könnte Laschet eine harte Abrechnung drohen – aber er glaubt und hofft. „Der Wendepunkt“, sagte er im ZDF, „ist der Wahltag.“
Annalena Baerbock
Es sah so aus, als könnte es wirklich gelingen. Mitte April wurde Annalena Baerbock zur ersten Kanzlerkandidatin ihrer Partei gekürt, woraufhin die Umfragewerte so richtig in die Höhe schnellten. Bei CDU/CSU wurden erste nervös, sogar manchen Grünen schwindelte es angesichts von 27, 28 Prozent. Die Geschichte vom Aufbruch nach 16 Jahren politischer Halbnarkose schien gut, die Grünen wollten „Change“, nur mit Baerbock statt Obama.
Die Strategie: Statt Schwarzmalerei sollten positive Botschaften („Bereit, weil Ihr es seid“) die Partei in der Mitte der Gesellschaft verankern. Aber die Fehler der folgenden Wochen – Lebenslauf, Nebeneinkünfte, Plagiate – stutzten die großen Erwartungen zurecht. Baerbock, sonst forsch und energisch, kam aus der Verteidigungshaltung nicht heraus, die Partei reagierte gereizt. Im Plagiats-Ärger schaltete man einen Medien-Anwalt ein, das aus der Grünen-Zentrale gestreute Wort „Rufmord“ hallt noch nach. Inzwischen hat die Partei ihre Strategie geändert – „aus Einsicht in die Notwendigkeit“, wie Falter sagt.
Offiziell sagt es niemand, aber es stimmt: Die Partei spielt nicht mehr auf Sieg. Statt die Breite der Bevölkerung spricht sie deshalb wieder die Kernklientel an und macht der SPD Avancen. Baerbock, die mit ihrer Rolle bisweilen überfordert schien, wirkt seither wie befreit. Trotz allem könnten die Grünen ihr Ergebnis von 2017 verdoppeln. Zufrieden wird damit aber kaum jemand sein, Diskussionen dürften folgen. Robert Habeck, von Baerbock mal ins Fach „Hühner, Schweine, Kühe melken“ verbannt, könnte profitieren.
Olaf Scholz
Als der SPD-Vorstand im August 2020 – lange vor allen anderen – einen Kanzlerkandidaten nominierte, war der Spott groß. Die Entscheidung: zu früh. Der Kandidat: passt nicht zur Links-SPD. Die ganze Sache: aussichtslos. So sah es die Konkurrenz und schaute etwas mitleidig auf Olaf Scholz, der unentwegt predigte, er wolle Kanzler werden.
Die Lage hat sich dramatisch verändert. Scholz führt seit Wochen in der Wählergunst (selbst in Bayern wollen ihn mit 33 Prozent mehr Menschen zum Kanzler als Laschet) – und er zieht die oft totgesagte SPD mit. Als sich die Konkurrenz ein ums andere Mal verstapfte, tütete er in Washington eine globale Steuerreform ein. Die Partei – gerade den betont linken Vorstand – verpflichtete er zu radikaler Geschlossenheit. „Das strategische Geheimnis hinter dem Erfolg heißt Scholz“, sagt Falter. „Der Kandidat ist die Botschaft. Aber hinter ihm versteckt sich die wirkliche, deutlich weiter links als er stehende SPD.“
Im Rennen darum, wer die Raute am besten kopiert, hat der Vizekanzler den CDU-Chef längst abgehängt. Ihm ist es gelungen, ein Wohlfühlbild von sich selbst zu entwerfen: Als eigentlicher Merkel-Erbe, der zugleich Konstanz und Veränderung verspricht, letzteres aber schmerzfreier als mit den Grünen. Nicht mal die Skandale um Cum-Ex oder Wirecard können ihm etwas anhaben. Das Nachrichten-Portal „Politico“ nannte ihn deshalb zuletzt einen „Teflon-Kandidaten“. Das ist kurz vor Teflon-Kanzler.