Berlin – Die Linke hat es gerade so noch einmal in den Bundestag geschafft, dank dreier Retter. Nun wird parteiintern über die Richtungsfrage diskutiert: Wofür braucht es uns und wo wollen wir hin?
Nach der krachenden Wahlniederlage läuft die Ursachenanalyse. Die Linke müsse sich „neu erfinden“, sagte die Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow am Montag in Berlin. Sie sprach von einem „blauen Auge“, mit dem die Partei davongekommen sei, und der letzten Chance, die Linke nach vorn zu entwickeln. Hennig-Wellsow und ihre Co-Vorsitzende Janine Wissler betonten zugleich, die Partei weiter führen zu wollen.
Die Linke ist bei der Bundestagswahl von 9,2 auf 4,9 Prozent eingebrochen. Dank der drei Direktmandate von Gregor Gysi (Berlin), Gesine Lötzsch (Berlin) und Sören Pellmann (Leipzig) bleibt die Linke aber in Fraktionsstärke im Bundestag – mit 39 statt 69 Abgeordneten. Holt eine Partei mindestens drei Direktmandate, bekommt sie laut Bundeswahlgesetz auch Sitze nach ihrem Zweitstimmenergebnis, wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht überspringt. Die Linke hatte bereits 1994, damals noch als PDS, davon profitiert.
„Ohne Frage haben uns die drei Direktmandate als Partei gerettet. Sie sind unsere Lebensversicherung“, sagte Lötzsch. Auch Pellmann sprach von einer „Lebensversicherung“. Das sei aber nur ein schwacher Trost. „Jetzt ist es für die gesamte Partei höchste Zeit, rückhaltlos die richtigen Konsequenzen aus dieser desaströsen Wahlniederlage zu ziehen!“
Wissler und Hennig-Wellsow wollen im Amt bleiben. Das Duo führt die Linke erst seit dem Frühjahr. Die Ursachen für das Ergebnis lägen tiefer, als dass dies durch Personalentscheidungen zu lösen sei, sagte Wissler.
Vor der Wahl hatte sich die Linke Chancen ausgerechnet, bei Gesprächen über die Bildung einer Regierung dabei zu sein. Rechnerisch schien den Umfragen zufolge eine Regierung mit SPD und Grünen möglich. Die Union hatte laut vor einem „Linksrutsch“ gewarnt. Nun bleibt die Linke weiter Zuschauer. Man nehme die Oppositionsrolle im Bundestag an und werde dort das soziale Gewissen sein, sagte Spitzenkandidat und Fraktionschef Dietmar Bartsch. Die Ursachen für das Wahldebakel sieht er vor allem in den vergangenen Jahren. Die Partei sei nicht als geschlossene Formation aufgetreten, sondern habe ein Bild der Zerrissenheit abgegeben. Im Parteivorstand soll am kommenden Wochenende über das weitere Vorgehen und die Konsequenzen aus dem Absturz beraten werden.
Bei der Diskussion über den richtigen Kurs könnte auch die „Wagenknecht-Frage“ wieder aufbrechen. Sahra Wagenknecht hatte im Frühjahr mit ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ die Partei in Diskussionen gestürzt. In dem Bestseller wirft sie linken Parteien vor, ihre Kernwähler mit Gender-, Klima- und Bio-Essen-Debatten zu verprellen. Einige in der Linken strebten daraufhin Wagenknechts Parteiausschluss an. JÖRG RATZSCH