GEORG ANASTASIADIS
In der Nacht nach dem Wähler-Donnerwetter sind die Verlierer von CDU und CSU noch mal in sich gegangen. Man erhebe, so gestern Laschet und Söder vor ihren Parteigremien, nun doch keinen „Anspruch“ auf die Regierungsbildung, sondern mache nur ein „Angebot“. Das soll demütiger klingen, nach dem Motto „wir haben verstanden“, und die erzürnten Wähler besänftigen, die – so wie die SPD-Spitzen – jetzt „Betrug“ am Wahlsieger Scholz rufen. Die Union will so Wunsch und gefühlte Wirklichkeit wieder näher zusammenbringen. Das Ergebnis ist dasselbe: Die Operation Machterhalt läuft. Solange die Union die Nerven behält und kritische Stimmen wie die des Sachsen Kretschmer die Ausnahme bleiben, kann Laschet Kanzler werden. Ostdeutsche haben (von Merkel abgesehen) in der CDU noch nie die Richtung bestimmt. Kritisch wird es erst, wenn auch die CSU deutlicher auf Distanz zu Laschet geht, weil sie es mit Blick auf die Bayernwahl 2023 für nötig hält, klarere Zeichen der Demut zu setzen.
In der Union erzählen die alten Hasen dieser Tage von 1969, als Kurt Georg Kiesinger für die CDU die Wahl gewann, aber – ebenso wie CSU-Chef Strauß – am Wahlabend früh ins Bett ging, derweil der unterlegene Willy Brandt für die SPD mit der FDP die sozialliberale Koalition fix machte. Brandt köderte die liberalen Wahlverlierer, indem er sie mit Ministerien überschüttete (zum Außenamt gab’s als Dreingabe das Innen- und das Agrarministerium). Diesmal will Laschet der Ausgeschlafenere sein. Die Grünen, die ab sofort Habecks Grüne sind, und FDP werden sich kaum retten können vor Geschenken, die die Union ihnen heuer auf den weihnachtlichen Gabentisch legen will. Im größten und glitzerndsten Paket ist etwas, was Scholz auch beim besten Willen kaum toppen kann: das Schloss Bellevue für die Grüne Katrin Göring-Eckardt.
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