München – Die Nachricht war kaum in der Welt, da fand sich schon ein prominenter Kommentator. Erst werde über Koalitionen verhandelt, dann würden Posten verteilt, sagte Jürgen Trittin dem „Spiegel“. Überhaupt: Wer am Ende auf welchem Stühlchen Platz nehmen darf, das „entscheidet die Partei und nicht nur zwei Personen in persönlichen Gesprächen“.
Das maue Wahlergebnis ist noch nicht ganz verdaut, da rumpelt es im grünen Universum. Auslöser ist eine Absprache der zwei Parteichefs, der zufolge Robert Habeck in einer möglichen Regierung Vizekanzler wird. Zwar knobelten er und Annalena Baerbock auch die Kanzlerkandidatur schon untereinander aus, behielten das Ergebnis aber lange für sich. Nun wabert die Einigung verfrüht durchs Land und schafft den unangenehmen Eindruck, die Grünen-Spitze verteile bereits begierig die Macht.
Das verärgert vor allem den linken Flügel der Bundestagsfraktion. Bei einem Treffen am Dienstag seien viele „sehr erzürnt“ gewesen, sagte ein Teilnehmer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Groll entzündet sich offenbar nicht nur am Publikwerden, sondern auch an der Einigung selbst. Manche halten den Schritt wohl für einen Affront gegen Annalena Baerbock. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass sie jetzt die „Buhfrau-Rolle“ bekomme.
Was sich da Bahn bricht, ist auch der Frust verflogener Hoffnungen. Die Grünen hatten im Wahlkampf hoch gepokert und sich insgesamt diszipliniert verhalten. Trotz diverser Pannen der Kandidatin stand Habeck loyal zu ihr, das linke Lager hielt sich mit Querschüssen gegen die Realo-Frau zurück. Dessen Protagonisten – Trittin oder Fraktionschef Anton Hofreiter, gingen monatelang in Deckung. Jetzt bricht die Einigkeit teilweise auf. Auch, weil der linke Flügel nun seine Ansprüche anmelden wolle, heißt es aus Fraktionskreisen.
Während Trittin den Ärger offen artikuliert, sind andere in der Partei darum bemüht, die Diskussion wieder einzufangen. Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte gestern vor der ersten Sitzung der neu gewählten Abgeordneten, die beiden Parteichefs führten nun erst mal Gespräche über eine Koalition. „Am Ende wird dann über das Personal als Ganzes entschieden werden.“ Hofreiter, der für einen Ministerposten als gesetzt gilt, wischte Nachfragen gleich ganz beiseite: „Dem ist nichts hinzuzufügen.“
Auch Spitzen-Grüne aus Bayern bemühen sich, der Diskussion das Gewicht zu nehmen. „Jetzt ist nicht die Zeit für Personalfragen“, betonte die Bundestagsabgeordnete Claudia Roth gegenüber unserer Zeitung. Die beiden Parteichefs würden nun gemeinsam sondieren. Es gehe darum, „konstruktive und verantwortungsvolle Gespräche“ zu führen.
Katharina Schulze, Chefin der bayerischen Landtagsfraktion, sagte: „Es ist alles geklärt zwischen Annalena und Robert, sie sind klar und sortiert.“ Es gehöre aber auch zur Professionalität, keine Personaldebatten zu führen. Landeschefin Eva Lettenbauer betonte, sie habe noch am Montag mit Baerbock und Habeck telefoniert. Lettenbauers Einschätzung: „Die Debatte findet innerhalb der Partei nicht statt.“
Dafür wird sie allerdings recht laut geführt. Auch der grüne Nachwuchs ist einigermaßen irritiert. Deren Bundessprecher Georg Kurz nannte die Debatte um den Vizekanzler-Posten „absolut daneben“. Wir verstehen überhaupt nicht, was das soll“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Grünen hätten mit Annalena Baerbock „das beste Ergebnis eingefahren, das wir je hatten“. Es gebe vor der Ämterfrage zunächst einmal „den glasklaren Auftrag, unsere Kernforderungen in der nächsten Regierung umzusetzen“. MARCUS MÄCKLER