Es sind erstaunliche Bilder, die uns da aus Großbritannien erreichen: Mitten in Europa geht den Tankstellen das Benzin aus. Fahrer starten Panikkäufe. Es wird diskutiert, ob nur noch systemrelevante Berufe ihre Autos auffüllen sollen. Die Ursache ist nahezu banal: Es gibt nicht genug Lkw-Fahrer, um die Tankstellen zu beliefern.
Die Benzin-Krise hat mehrere Ursachen, aber eine liegt auf der Hand: Der Fahrermangel ist eine unmittelbare Folge des Brexits. Der Austritt, dessen Wirkung durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde, drängte viele billige osteuropäische Arbeitskräfte aus dem Land. Sie hatten manchen nationalistischen Konservativen und auch Teilen der britischen Presse während der Brexit- Kampagne geradezu als Feindbild gegolten. Kein Wunder, dass polnische Fahrer nun ein hastig aufgesetztes Regierungs-Programm mit Sondervisa ignorieren. In anderen Branchen bahnen sich schon ähnliche Probleme an, beispielsweise auf den Geflügelfarmen, die den Briten ihren Weihnachts-Truthahn liefern sollen.
Reiche Volkswirtschaften wie Großbritannien, aber auch Deutschland sind darauf angewiesen, dass viele mäßig bezahlte Arbeitskräfte das Land am Laufen halten. Dazu gehören auch jene Krankenschwestern, Pfleger oder Verkäufer, die während Corona kurz als „systemrelevant“ gefeiert und dann rasch wieder vergessen wurden. Jeder, der in Deutschland – wie die AfD – vom „Dexit“ träumt, sollte jetzt genau nach London schauen.
Mike.Schier@ovb.net