Die Ampel und ihr Bayern-Defizit

von Redaktion

Sondierungsteams: Nur die Grünen Anton Hofreiter und Claudia Roth kommen aus dem Freistaat

München – Anfang September hatte Markus Söder schon eine Vision des nahenden Unheils. Beim Gillamoos warnte er vor linken Bündnissen von Rot-Grün-Rot bis zur Ampel, die ja auch bloß eine „verdünnte Links-Suppe“ sei. Eine Extra-Erwähnung widmete er dem Grünen Anton Hofreiter. Mit ihm, so Söder, könnte einer Minister werden, der sich beharrlich „dem hervorragenden bayerischen Friseur-Handwerk verweigert“.

Das kam an im streng frisierten CSU-Kosmos, aber die für Söder bittere Pointe beginnt erst jetzt, sich zu entfalten. Denn zur Ampel könnte es durchaus kommen – und Hofreiter, der das Haar seit jeher lang und offen trägt, gilt bei den Grünen als gesetzt für einen Minister-Posten. Mehr noch: Bei den kommenden Gesprächen über ein Bündnis zwischen SPD, Grünen und FDP dürfte er der starke Mann aus Bayern sein.

Es ist ein bemerkenswertes Signal: In den engeren Sondierungsteams der möglichen Ampel-Partner sind insgesamt nur zwei Vertreter aus dem Freistaat gelistet: Neben Hofreiter ist das Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, bekanntlich ebenfalls eine Grüne. Das ist recht mager und deutet darauf hin, dass Bayern auch in einer neuen Regierung an Gewicht verlieren könnte. Ganz anders als etwa Nordrhein-Westfalen.

Vor allem FDP-Chef Christian Lindner schart laut dem Magazin „Business Insider“ mit Blick auf die Sondierungen mehrere Vertraute aus seinem NRW-Landesverband um sich: Generalsekretär Johannes Vogel, den Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, und den Europa-Abgeordneten Moritz Körner. Zwischen sechs und zehn Personen sollen zum Team gehören, Bayern sind nicht dabei.

Auch bei der SPD, die wohl zu sechst kommt, fehlt jede Stimme aus dem Freistaat. Neben dem Hamburger Olaf Scholz sollen die Parteichefs Saskia Esken (Baden-Württemberg) und Norbert Walter-Borjans (NRW) sondieren. Außerdem Fraktionschef Rolf Mützenich (ebenfalls NRW), Generalsekretär Lars Klingbeil (Niedersachsen) und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Sondierer sind zwar noch keine Minister. Andererseits geben die Teams Aufschluss darüber, wen die Parteien grundsätzlich für ministrabel halten. Dass Hofreiter – wie Roth Vertreter des linken Flügels der Grünen – dazugehört, war nicht immer klar. Im Wahlkampf fiel er kaum auf, jedenfalls nicht bundesweit, vielleicht auch, weil sein letzter großer Aufschlag ein ziemlicher Reinfall war. Anfang des Jahres sagte Hofreiter etwas zu Einfamilienhäusern, das klang, als wollten die Grünen sie verbieten. Unfreiwillig hatte er das Image der Verbotspartei reaktiviert.

Schnee von gestern. Bald könnte der gebürtige Münchner Minister sein, womöglich der einzige aus Bayern. Denkbar sind die Ressorts Verkehr oder Landwirtschaft. Fraktionschef bleibt er – zusammen mit Katrin Göring-Eckardt – vorerst nur kommissarisch. Am Donnerstag bestätigten die Abgeordneten den bisherigen Fraktionsvorstand „einstimmig kommissarisch im Amt“, sagte Hofreiter am Nachmittag. Nach der Regierungsbildung soll dann neu entschieden werden.

Im Team der Grünen sondieren zudem die Parteichefs Annalena Baerbock (Brandenburg) und Robert Habeck aus Schleswig-Holstein. Die NRW-Grünen sind durch Partei-Vize Ricarda Lang und den Europaabgeordneten Sven Giegold vertreten. Auffällig ist, wer fehlt: Ex-Parteichef Cem Özdemir, der eigentlich in die erste Reihe zurückstrebt, gehört lediglich zum weiteren Sondiererteam. mmä/sr

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