WIE ICH ES SEHE

75 Jahre Nürnberger Militärtribunal

von Redaktion

Am 1. Oktober vor 75 Jahren fällte der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg sein Urteil über 22 Angeklagte aus der engsten Umgebung Hitlers. Die zwölf zum Tode Verurteilten, darunter Alfred Rosenberg, Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Alfred Jodl, Wilhelm Keitel, Julius Streicher und Hans Frank, hatten da noch 15 Tage zu leben. Am 16. Oktober 1946 wurden sie durch Strang im Nürnberger Gefängnis hingerichtet.

Hermann Göring schaffte es unter bis heute nicht geklärten Umständen, sich dem durch Selbstmord in seiner Zelle zu entziehen.

Der Ablauf des Verfahrens war unter amerikanischer Führung ein Triumph westlicher Justiz. Die Angeklagten hatten sich Anwälte wählen können, sie konnten auch Entlastungszeugen benennen. Es gab auch Freisprüche. Gleichwohl ist die Kritik an dieser „Sieger-Justiz“ bis heute lebendig.

Die Verurteilungen erfolgten hauptsächlich wegen „Vorbereitung eines Angriffskrieges“, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und einer „Verschwörung gegen den Frieden“. Diese von den Anklägern so konstruierten „Straftatbestände“ hatten aber alle den Fehler, dass es sie zur Zeit, als die Taten begangen wurden, noch gar nicht gegeben hatte. Seit den Tagen Ciceros ist aber eine Bestrafung ohne ein vorangegangenes Gesetz von den Juristen zu Recht verdammt worden.

Ein weiteres Problem des ganzen Verfahrens war die Tatsache, dass auch von den zu Gericht sitzenden Alliierten Kriegsverbrechen begangen worden waren. Vergeblich versuchten die anwesenden sowjetischen Richter, die 1940 auf Anweisung von Stalin in den Wäldern von Katyn geschehene Ermordung von ungefähr 22 000 polnischen Offizieren und Intellektuellen den Deutschen in die Schuhe zu schieben. Das peinliche Thema musste schnellstens vom Tisch genommen werden.

Auch Frankreichs Vichy-Regime hatte bei der Judenermordung eng mit den Nazis zusammengearbeitet. Und aktuell gab es Hinweise, dass deutsche Kriegsgefangene dort keineswegs immer nach den Vorschriften der Genfer Konvention behandelt wurden. Völlig außen vor blieb die Frage, ob der von Englands Luftmarschall Harris gegen die Zivilbevölkerung in Städten wie Hamburg und Dresden ins Werk gesetzte Bombenkrieg nach den vom Gericht aufgestellten Grundsätzen der Humanität nicht auch ein Verbrechen gewesen war?

Ebenso haben die Nürnberger Richter jede Diskussion über das geheime Zusatzabkommen zum Hitler-Stalin-Pakt und seine Bedeutung für den Kriegsausbruch vermieden. Aktuell hat sich als Verteidiger der Nürnberger Urteile 2019 kein Geringerer als der russische Präsident Putin gemeldet. In einem Schreiben an das Europäische Parlament verweist er auf das „verräterische“ Münchener Abkommen. Das Nachgeben der Westmächte dort erst habe Hitlers Blick nach Osten gelenkt. Stalin sei damals bereit gewesen, zusammen mit dem Westen Hitlers Pläne rechtzeitig zu stoppen.

Die in Nürnberg geschaffenen Grundsätze haben den Weg geebnet für ein neues Völkerrecht. So konnten im internationalen Strafgerichtshof von Den Haag Kriegsverbrechen geahndet werden.

Für uns Deutsche aber bleibt Nürnberg so bedeutend, weil dem verführten deutschen Volk die Augen geöffnet wurden über die Nazi-Verbrechen. Daher waren diese Urteile ein Befreiungsschlag für unser Land.

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VON DIRK IPPEN

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