München/Berlin – Robert Habeck trägt ein Freundschaftsbändchen am Handgelenk. Man erkennt das an diesem Freitagmittag sehr gut, weil der Parteichef der Grünen die Ärmel hochgekrempelt hat. Habeck sieht nicht nur hemdsärmelig aus, er redet auch so. Für die Gespräche mit der FDP gelte dieselbe Regel wie für Handwerker. Wichtig sei der erste Schritt: „Wenn man die Schraube schräg einsetzt, wird sie nie wieder gerade.“ So viel kann er sagen: „Diese Schraube ist sehr gerade.“
Man kann viel hineindeuten in diesen Auftritt Habecks mit seiner Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock und FDP-Chef Christian Lindner. Man muss es vielleicht sogar, denn konkret werden die drei bei ihrem kurzen Statement nach dem gemeinsamen Treffen nicht. „Wir sind heute schmallippig“, flötet Baerbock an einer Stelle. Eine der wichtigsten Lehren aus dem Jamaika-Debakel 2017, als Details teilweise fast in Echtzeit an die Öffentlichkeit gelangten, ist strikte Verschwiegenheit in inhaltlichen Fragen.
Vier Jahre später ist der Ernst der Lage allen bewusst. Baerbock spricht von einem „historischen Moment“, weil es um eine echte Erneuerung gehe, nicht bloß um den kleinsten gemeinsamen Nenner. Lindner, in seinem Maßanzug der optische Gegenentwurf zu Habeck, berichtet von der „großen gemeinsamen Verantwortung“, die alle verbinde. Allein schon die Tatsache, „dass und wie wir sprechen“, sei „für viele Menschen Anlass zur Hoffnung“. Nach dem Vierer-Treffen vom Dienstagabend bieten beide Seiten nun jeweils zehn Vertreter auf.
Es klingt ein bisschen so, als hätten Grüne und Liberale gerade erst den Dialog gestartet. Tatsächlich sind sie schon seit Monaten im Gespräch und loten ihre Positionen in wichtigen Sachfragen aus. Dass es nach der Wahl auf beide Parteien ankommen würde, war von Anfang an eine naheliegende Option. Und auch wenn beide nun bilaterale Gespräche mit SPD und Union aufnehmen werden, sind es die zwei kleineren Parteien, die bei der Regierungsbildung gesetzt sind. Man fühle sich „gemeinsam beauftragt, in Deutschland einen neuen Aufbruch zu organisieren“, beschreibt es Lindner.
Solche Worte wecken Erwartungen, die nicht leicht zu erfüllen sein werden. Habeck erinnert daran, dass zwar beide Parteien „für Veränderung“ stünden, „aber nicht notwendigerweise für die gleiche Art von Veränderung“. Bei zentralen Themen wie Klimaschutz oder Finanzen ist man weit voneinander entfernt. „Jetzt geht es darum, Brücken zu suchen“, weiß auch Lindner.
Am Morgen erscheint ein Interview, das sich liest, als sei das Tempolimit eine dieser Brücken. Die Grünen setzen sich für eine Beschränkung auf 130 km/h ein, die FDP lehnt sie vehement ab und spricht von „Symbolpolitik“. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagt nun der „Rheinischen Post“, man gehe zwar mit entsprechenden Forderungen in die Gespräche. Er halte aber nichts davon, „einzelne Maßnahmen zur Bedingung zu machen, das verkompliziert die Verhandlungen“.
Wann und wie es weitergeht, ist nicht bekannt. Man werde die Öffentlichkeit informieren, „wenn wir der Meinung sind, jetzt gibt es was zu erzählen“, kündigt Habeck an. Bis dahin schrauben sie in aller Stille weiter.