„Eine völlig harmonische Sitzung“

von Redaktion

Machtwechsel in AfD-Fraktion: Abgeordnete wählen Ebner-Steiner ab – Neue Fraktionschefs bislang wenig bekannt

München – Ist das Einigkeit oder Platzmangel? Schulter an Schulter sitzen am Freitagmorgen sechs Männer in einem kleinen, schwitzigen Nebenraum des Landtags und sehen auffällig zufrieden aus. Selbst Franz Bergmüller, vom Naturell her kein Sonnenschein, grinst vor sich hin. Das kuriose Bild kommt nicht von ungefähr – auf diesen Moment haben sie lange gewartet.

Die sechs sind, wenn man so will, das neue Gesicht der AfD im Landtag. Tags zuvor haben sie und ihre Verbündeten den alten Vorstand um Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn abgewählt. Künftig werden zwei bislang eher Unbekannte die Fraktion führen: Ulrich Singer und Christian Klingen. Neue Stellvertreter sind Bergmüller und Gerd Mannes, Parlamentarischer Geschäftsführer wird Andreas Winhart, Markus Bayerbach sein Vize.

Es ist ein Triumph für Ebner-Steiners Gegner, aber ein stiller. Nach drei Jahren des Dauerstreits in der Fraktion soll der Machtwechsel offenbar auch ein Neustart sein. Die sechs verlieren deshalb kein böses Wort über ihre Vorgänger, im Gegenteil. Man habe den Vorstand in „völlig harmonischer und normaler Sitzung“ neu gewählt, sagt Singer. Ebner-Steiner und Co. hätten sich nicht mal zur Wiederwahl gestellt, am Ende hätten sie „per Handschlag gratuliert“.

Tatsächlich ging es wohl ruhig zu. Allerdings weniger aus frischer Zuneigung als wegen der klaren Machtverhältnisse in der Fraktion. Ebner-Steiner und Co. hatten seit Monaten eine Gruppe von elf Abgeordneten um Bergmüller gegen sich. Das interne Klima war entsprechend eisig. Eine Fraktionsklausur wurde abgebrochen; das Bergmüller-Lager versuchte zwischenzeitlich, den Vorstand abzuwählen, bekam aber die nötige Zweidrittel-Mehrheit nicht hin. Bei der turnusmäßigen Neuwahl am Donnerstag reichte dann eine einfache Mehrheit von 11:7 Stimmen. Ebner-Steiner und Co. wussten also, dass es für sie nicht mehr reichen würde. Am Freitag lässt die Niederbayerin wissen, sie wünsche den Neuen „ein glückliches Händchen“.

Intern heißt es nun, man wolle die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen und biete den Abgewählten eine Zusammenarbeit an. Ob das gelingt, ist aber höchst fraglich. Die Gräben der Vergangenheit sind tief.

Der neue Vorstand will einiges ändern. Man müsse präsenter, effizienter und „deutlich bayerischer“ werden, sagt Andreas Winhart. Insgesamt soll sich die Tonlage ändern. Die Wahl von Singer und Klingen – überraschend auch, weil eigentlich Bergmüller am Zug schien – gilt intern als Fingerzeig. Man habe in den letzten Wochen lange und mehrfach diskutiert, wen man aufstelle, heißt es. Das eher ruhige Auftreten der beiden sei schließlich entscheidend gewesen.

Singer, 45, ist Rechtsanwalt und bisher nicht durch radikale Äußerungen aufgefallen. Der 56-jährige Klingen ist ein anderes Kaliber. Er galt lange als Fan des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke und als „Flügler“ – also Anhänger des radikalen Teils der AfD, dem auch Ebner-Steiner zugerechnet wird. Inzwischen hat er sich zwar distanziert, fordert aber, wie auch am Freitag, eine „inländerfreundliche Politik“.

Der neue Auftritt soll auch helfen, die politische Konkurrenz auf Distanz zu halten. Bei der Bundestagswahl, sagt Winhart, hätten „ein paar Leute leider in unserem Teich gefischt. Das wollen wir künftig verhindern.“ Gemeint sind neben der Querdenker-Partei „Die Basis“ auch Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Er habe die AfD mit seinem Corona-Kurs wichtige Stimmen gekostet. Jetzt gelte: „Wir entziehen ihnen die Angelkarte für unseren Fischteich.“  mmä

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