Scholz und der Unionsstreit

Im Schlafwagen ins Kanzleramt?

von Redaktion

MIKE SCHIER

Eine Woche liegt der Wahltag nun zurück – doch das Bild, das die (hoffentlich!) scheidende GroKo den Wählern bietet, ist das gleiche wie im Wahlkampf: Die SPD und ihr Kanzler in spe halten die Füße still, während die Union sich jeden Tag ein Stückchen weiter ins Aus schießt. Ein CDU-Vorsitzender, der seine Niederlage nicht eingestehen will. Ein CSU-Chef, der noch immer vom Kanzleramt träumt. Dazu viele Akteure der zweiten Reihe, die offene Rechnungen und eigene Ambitionen haben. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie Olaf Scholz aus dem schlumpfigen Grinsen, das ihm Söder einst hitzig attestierte, nicht mehr rauskommt. Danke, Union!

Neben dem Unions-Drama erlebt Berlin derzeit aber ein zweites großes Staatsschauspiel: Grüne und FDP scheinen plötzlich nie für möglich gehaltene Sympathien füreinander zu entdecken. Das Pressestatement der drei frisch verliebten Vorsitzenden am Freitag war zwar völlig inhaltsleer, aber strahlte noch mehr Harmonie und Aufbruchstimmung aus als das Selfie mit Insta-Filter. Abzuwarten bleibt, wie lange die Inszenierung hält, wenn intern mal wirklich harte Kompromisse gefragt sind und bei den Grünen auch der linke Parteiflügel mitredet.

Interessant ist, wie forsch die beiden Parteien aus dem Wahlergebnis einen Auftrag ableiten, die Berliner Politik umzukrempeln. Dabei vereinen sie gemeinsam etwas mehr als 26 Prozent der Stimmen, also kaum mehr als die SPD, deren Kandidat Scholz doch gerade für Kontinuität der GroKo-Politik steht. Und mit jedem Tag, an dem sich die Union als Kanzlerpartei unmöglicher macht, wächst die Verhandlungsmacht der SPD in einer Ampel.

Mike.Schier@ovb.net

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