München – Man würde gerne wissen, was Armin Laschet wirklich denkt. Eine Woche ist es her, dass der CDU-Vorsitzende in Nürnberg von der CSU mit Gesängen und minutenlangen Ovationen gefeiert wurde. Gestern Abend steht er wieder inmitten der Schwesterpartei. Die Hanns-Seidel-Stiftung hat zur Geburtstagsfeier von Edmund Stoiber geladen. Und Laschet darf die Laudatio halten. Launig soll es zugehen. Natürlich. Aber die Laune ist nach dieser Woche nicht besonders. Nicht nach diesem Wahlergebnis. Und nicht nach den vielen kleinen und größeren Spitzen, mit denen sich die beiden Unionsparteien gegenseitig das Leben schwer machen.
Auch Söder ist da. Der Stoiber-Zögling. Er nutzt die Gunst der Stunde, um in seiner Laudatio auf den alten Chef über „Loyalität in einer Partei“ zu dozieren, von der es viel zu wenig gibt. Laschet lässt sich nichts anmerken. „Ich bin jetzt fast wöchentlich in München“, sagt der gescheiterte Kanzlerkandidat mit süffisantem Lächeln. Er habe gehofft, mit einem besseren Ergebnis wieder zurückzukehren. Oft habe er in den vergangenen Tagen an Stoiber denken müssen. Wie das wohl ist, ins Flugzeug zu steigen und zu denken, man habe die Wahl gewonnen. Ein Irrtum. „Die Größe, mit der du damit umgegangen bist, ist mir auch Maßstab und Kompass in diesen Tagen.“
Aber er wolle nicht über Ampeln und Jamaika sprechen – sondern allein über Stoiber. Es geht also viel um die Geschichte, auch jene der beiden streitbaren Schwesterparteien. Doch Laschets Worte lassen sich auch aktuell deuten. Natürlich, sagt er, gehe es darum, dass sich CDU und CSU aneinander reiben und auch mal raufen – „aber danach wieder zusammenraufen“.
Der Freitag ist also der Tag, an dem alles wieder normal aussehen soll in der Union. Am Morgen schaltet sich das CSU-Präsidium zusammen. Auch wenn der ein oder andere Söders Auftritte der letzten Tage kritisch sieht, gibt es keine Kritik, berichten Teilnehmer. Anschließend tritt Generalsekretär Markus Blume vor die Presse. Jetzt müssten die Sondierungen schnell gehen. Dementsprechend eilig hat er es auch mit seiner Botschaft: „Wir sind bereit zu Jamaika.“ Vergessen, dass die CSU erst mal keine Zeit für Sondierungsgespräche hatte.
„Es sollen nicht die Nebentöne entscheidend sein“, findet Blume, „sondern die maximale Konzentration auf das, was man erreichen will.“ Jamaika. Man habe sich für Sonntag mit der FDP und für Dienstag mit den Grünen verabredet. Zur Sicherheit betont Blume noch: „Jamaika hat Charme.“ Und mehr Vorteile als die Ampel. Und weil es innerhalb der Union rumort hat, fügt er hinzu: „Es gibt ein sehr gutes Einvernehmen der Generalsekretäre.“ Ja, unter Söder und Laschet auch, sagt er. Allerdings erst auf Nachfrage.
Der Union weiß: Sie muss den Schalter umlegen, wenn für sie die Sondierungen nicht enden sollen, bevor sie richtig begonnen haben. Ob das angesichts des Machtvakuums gelingt, ist allerdings offen: Insider berichten, Jens Spahn habe inzwischen mit Laschet gebrochen und strebe nun selbst in die erste Reihe. Auch Friedrich Merz spielt weiter mit. Laut „Spiegel“ soll sich der 65-Jährige unter der Woche ein lautstarkes Wortgefecht mit dem Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus geliefert haben. Der Fraktionschef hatte zuvor auf eine längerfristige Wiederwahl gepocht.
In einem Interview geht Merz hart mit seiner Partei ins Gericht. „Denkfaul“ sei sie geworden. „Die Union hat das thematische Arbeiten verlernt.“ Dem Wahlkampf hätten „die Überschriften, die Themen und die Medienstrategie“ gefehlt. Zwei Mal habe er sich als Vorsitzender der CDU beworben – um sie in inhaltlicher und strategischer Sicht neu auszurichten. Obwohl ihn die überwältigende Mehrheit der CDU-Mitglieder unterstützt habe, sei er vom Parteitag zwei Mal nicht gewählt worden. „Mein Bedarf an streitigen Abstimmungen gegen das Establishment ist gedeckt.“ Mit anderen Worten: Merz schielt immer noch darauf, Parteichef zu werden – dann aber nur durch ein Mitgliedervotum. Das wäre frühestens nach Sondierungen möglich.
Im CDU-Vorstand am Donnerstag hatte allein der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer die Partei aufgefordert, sich in der Opposition zu erneuern. Inzwischen nehmen immer mehr das Wort in den Mund. Die ehemalige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagt am Freitag, es sei auch eine Möglichkeit, jetzt „Haltung zu zeigen, und eine gute Opposition zu machen“.