Berlin/München – Wenn Armin Laschet derzeit in seine Partei reinhört, vernimmt er viel hässliches Getuschel. Ein besonders böses Wort hat es jetzt in die Öffentlichkeit geschafft. Vom „Insolvenzverschlepper“ Laschet spricht ein CDU-Grande, so titelt es die „Welt am Sonntag“. Einer, der politisch bankrott sei und es nicht zeigen wolle.
Tatsächlich formieren sich in der Partei spätestens seit dem Wochenende die Rivalen des angeschlagenen Parteivorsitzenden. Wo Laschet an Loyalität glaubte, klafft nun ein Loch. Vor allem sein ehemaliger Tandempartner Jens Spahn rückt ab. Er macht Laschet als Person für den Absturz hinter die SPD verantwortlich. „Dass im Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzenkandidat nicht richtig gezogen hat, kann niemand leugnen. Allein das hat viele Prozente gekostet“, sagt Spahn. Es sei keine Option, einfach so weiterzumachen. Der Noch-Minister fordert einen Bundesparteitag „spätestens im Januar“. Die Partei soll sich personell, aber auch inhaltlich neu aufstellen, Profil gewinnen.
Dass sich Spahn den Vorsitz zutraut, ist kein Geheimnis. Danach möchte allerdings ein weiteres Mal auch Friedrich Merz greifen. Der frisch gewählte Abgeordneter hofft auf ein Basis-Votum, das die Vorbehalte eines Parteitags überstimmt. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich: Für den Fall, dass die Jamaika-Sondierungen glücklos auslaufen und die Union in der Opposition landet, wollen profilierte Wirtschaftspolitiker die Basis bei der Suche des Laschet-Nachfolgers einbinden. „Um die Einbindung der Mitglieder werden wir bei der nächsten Entscheidung über den Vorsitz nicht herumkommen“, sagt unter anderem Carsten Linnemann, einer der Hoffnungsträger des Wirtschaftsflügels.
Der nächste mit Ambitionen auf Laschets zerrupftes Erbe ist Norbert Röttgen. Der Außenpolitiker verlangt, die fällige Erneuerung müsse umfassend sein: „Partei, Fraktion, Inhalte, Kommunikation, Personal“, zählte er im Berliner „Tagesspiegel“ auf. Es reiche nicht, „nur eine Person auszuwechseln“. Röttgen warnt: „Wir haben in fünf Bundesländern nicht ein einziges Direktmandat gewonnen. Wir liegen bei den Erstwählern bei zehn Prozent.“ Das sei alarmierend und eine „existenzielle Gefahr für uns als Volkspartei“.
Für CDU-Verhältnisse ist das ein sehr lauter Chor an Kritikern. Man muss ja noch mehrere Ministerpräsidenten einrechnen. Aus dem Osten haben sich Michael Kretschmer und Reiner Haseloff zu Wort gemeldet und das teils schlechte, teils verheerende Wahlergebnis dort primär an Laschet festgemacht. Aus dem Norden ist von Daniel Günther seit Tagen zu hören, in der Union müsse im Oppositionsfall „alles auf den Prüfstand“.
Vervollständigt wird das von der Jungen Union. Der Bundesvorsitzende Tilman Kuban wiederholte am Wochenende seine Forderung, in der CDU dürfe jetzt „kein Stein auf dem anderen bleiben“. Das gilt als Hinweis, besser den ganzen Vorstand auszutauschen, jedenfalls neu zu wählen. Den Kandidaten Laschet hatte ja im April der Vorstand nominiert.
Eine Unbekannte ist in all den Rechnungen dabei: die Frage, ob Laschet wirklich zurücktreten will. Er ahne, dass es vorbei sei, sagen hohe Unionspolitiker in Berlin und München, die in den vergangenen Tagen mit ihm sprachen. Von anderen heißt es, wenn man den 60-Jährigen in einem Punkt nicht unterschätzen dürfe, dann in seiner Beharrungskraft. Neue Umfragen machen es ihm allerdings nicht leichter. Im „Sonntagstrend“ (Insa für Bild am Sonntag) rutscht die Union auf 21, die SPD steigt auf 28 Prozent. cd