Wien/München – Der grüne Vizekanzler ist begeistert. „Weniger Dreck in der Luft, mehr Geld im Börserl“, das verkündet Werner Kogler am Sonntagnachmittag in die Kameras. Die konservativ-grüne Regierung in Österreich hat sich am Wochenende in Nachtsitzungen auf eines ihrer zentralen Projekte geeinigt: eine ökosoziale Steuerreform. Darauf wird auch Berlin mit Neugier schauen.
Die Befürworter sprechen vom größten Entlastungspaket in der Geschichte Österreichs, von 18 Milliarden Euro binnen vier Jahren. Eckpunkte: Ab 2022 wird auch in Österreich eine CO2-Abgabe fällig, es trifft Mobilität und Heizen. Der Einstiegspreis von 30 Euro pro Tonne soll jedes Jahr erhöht werden, 2025 bei 55 Euro liegen. Zur Entlastung soll es regional unterschiedlich die Rückzahlung eines „Klimabonus“ an die Bevölkerung geben. Spannender Faktor dabei: Es wird vier Stufen bei diesem Bonus geben (100/133/167/200 Euro), je nachdem, wie gut ein Gebiet an Bus und Bahn angebunden ist. Wer im Zentrum Wiens lebt, wird also 100 Euro Bonus zurückbekommen, einer im hinteren Tal die vollen 200. Die Zahl der Flugreisen, die Wahl der Verkehrsmittel oder der Arbeitsort spielen dabei keine Rolle, stellte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) klar. Der Bonus soll zeitnah als Prämie ausgezahlt werden, nicht rückwirkend über die Steuer. Fünf Milliarden Euro sollen bis 2025 umverteilt werden.
Außerdem will die Bundesregierung in Wien die Einkommensteuer (in Österreich drei Stufen) teils sehr deutlich senken. Die zweite Stufe soll Mitte 2022 von 35 auf 30 Prozent sinken. Die dritte Steuerstufe soll von 42 auf 40 Prozent runter. Für kleine Einkommen sollen die Krankenversicherungsbeiträge runter. Zudem bekommen Familien einen höheren Bonus, 2000 statt 1500 Euro pro Kind und Jahr. Eigenstrom soll komplett steuerfrei gestellt werden. Für eine Offensive für den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen sind 500 Millionen Euro vorgesehen.
Auch die Wirtschaft wird entlastet. Die Körperschaftsteuer soll in zwei Stufen von 25 auf 23 Prozent sinken. Ökologische Investitionen sollen mit Freibeträgen gestärkt werden. Die Lohnnebenkosten sollen statistisch von 47,3 auf 46,2 Prozent sinken. Firmen sollen Mitarbeitern bis zu 3000 Euro Bonus steuerfrei auszahlen dürfen.
Bis zuletzt stand die Reform auf der Kippe, berichteten österreichische Medien. Kanzler Kurz sagte eine Spanien-Dienstreise ab, um das Wochenende durchzuverhandeln. „Ich bin froh, dass wir dieses Megaprojekt gemeinsam auf den Weg gebracht haben“, sagte er nach der Einigung. Teil des Deals ist, dass das „Diesel-Privileg“ erhalten bleibt, Diesel also weiterhin einer geringeren Steuer unterliegt.
Österreich bewegt sich damit bei der CO2-Bepreisung in ähnlichen Bereichen wie Deutschland, nimmt man die die Vorgaben der Großen Koalition von 55 Euro pro Tonne im Jahr 2025 – die nächste Regierung mit Beteiligung der Grünen könnte daran noch schrauben. Man habe sich an den Berliner und den europäischen Werten orientiert, sagte Vizekanzler Kogler; es sei möglich, da nachzujustieren: „Der Anstieg ist wichtiger als der Einstieg.“
Kanzler Kurz äußerte sich aber klar ablehnend gegenüber schnellen Sprüngen beim CO2-Preis, etwa auf 150 Euro pro Tonne, wie es Klimawissenschaftler forderten. „Es bringt überhaupt nichts, etwas zu tun, was sozial unverträglich ist“, sagte Kurz. Es gehe um den „Einstieg in den Umstieg“. Ein Systemwechsel müsse „behutsam“ durchgeführt werden. cd