Berlin – In schmucklosem Ambiente steigt am Sonntag auch die SPD, seit der Bundestagswahl vor einer Woche die stärkste politische Kraft, in die Gespräche über die Regierungsbildung ein. Es ist eine laute und geschäftige Ecke in Berlin-Mitte, selbst am Sonntagnachmittag rumpeln ohne Pause Autos und Straßenbahn vorbei. In einem neutralen Bürogebäude beginnen die Sozialdemokraten ihre Gespräche zunächst mit dem FDP-Verhandlungsteam um Parteichef Christian Lindner, dann mit den Grünen.
Zwei Stunden wollten SPD und FDP reden. Am Ende sind es sogar 20 Minuten mehr, als die Generalsekretäre von FDP und SPD, Volker Wissing und Lars Klingbeil, draußen vor die Kameras treten. Ein gutes Zeichen, dass Gelb und Rot etwas länger redeten als gedacht? Wissing macht gleich deutlich: „Natürlich war auch klar, dass unsere inhaltlichen Positionierungen in wesentlichen Punkten auseinander liegen.“ Konstruktiv sei es gewesen – aber: „Klar ist, dass es Klippen gibt.“
Klingbeil spricht von den „großen Herausforderungen“ wie die Modernisierung des Staates und die Rolle Deutschlands in der Welt, vor denen eine neue Regierung stehe. Sehr zügig wolle man zu dritt zusammenkommen – also auch mit den Grünen. „Wir sind da klar – wir wollen Olaf Scholz als Kanzler.“
FDP-Chef Lindner hatte immer wieder eine Koalition mit der Union als erste Wahl der Liberalen betont, nun werden die Liberalen Zeuge von deren grundstürzenden Umwälzungen. Für Armin Laschet geht es bei den Sondierungen mit FDP und am Dienstag auch mit den Grünen um alles.
Das weiß Lindner und beginnt den Tag mit einer Mahnung. CDU und CSU müssten klären, ob sie wirklich eine Regierung führen wollten, sagte er in der „Bild am Sonntag“. Man sei „zu ernsthaften Gesprächen mit der Union bereit und erhoffen uns umgekehrt dasselbe“. Die Gespräche der FDP mit CDU und CSU beginnen dann wie geplant am Sonntagabend. In der CSU-Spitze hatte es am Wochenende Verwunderung gegeben, weil die FDP vor den Gesprächen mit der Union zehn Forderungen aufgestellte hatte, von denen acht auf einen Dissens hindeuteten. Nach dem Treffen sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume dann aber, es habe „Lust auf mehr gemacht“. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak spricht von großen Gemeinsamkeiten. Es müsse etwas Neues entstehen. Man sei bereit, sich der Verantwortung zu stellen. Wissing sieht, kaum überraschend, „inhaltlich wenig Klippen“, will aber sonst „keine Bewertung der Gespräche vornehmen“.
Für die Grünen war im Wahlkampf stets die SPD der erklärte Wunschpartner. Die Partei will ihr Kernthema Klimaschutz mit Sozialpolitik verbinden und so dem Eindruck entgegentreten, Ökologie sei nur etwas für jene, die sich das leisten können. Dennoch will die Parteispitze eine Jamaika-Koalition vorerst nicht absagen. Sie würde sonst ihre Verhandlungsposition schwächen.
Nach dem Treffen mit den Grünen sagt SPD-General Klingbeil, man sei jetzt bereit für Dreiergespräche. Grünen-Chefin Annalena Baerbock bleibt jedoch unverbindlich. Man werde die Gespräche mit der Union abwarten. Ihr Co-Parteivorsitzender Robert Habeck zeigt sich zugewandter. Er habe bei der SPD, die ja seit Jahren in der Regierung sei, eine Bereitschaft festgestellt, neu zu starten. Dies könne helfen, liegen gebliebene Probleme zu lösen.